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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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auch für sein geschriebenes Wort zutrifft. Jedes gesprochene – dessen Bedeutung sich vermittels Stimmlage und Körpersprache seines Sprechers so mühelos ändern läßt – leistet naturgemäß der Täuschung Vorschub. Komödianten, Evangelisten, Wahrsager, Demagogen, alle, die menschliche Persönlichkeit zu verkaufen haben, hängen davon ab und wissen das. Das geschriebene Wort ist dazu gemeinhin weniger geeignet. Es kann mehr als einmal untersucht werden. Es kann analysiert und zerlegt werden. Zweifler, die weiche Stellen vermuten, können darin herumstochern und es sondieren. Nur diejenigen, die gewohnt sind, auf Halbgebildete Eindruck zu machen, oder diejenigen, die so massiv Galle und Adverbien verspritzen wie Mr. Firman, können dem Irrtum erliegen, zu meinen, daß eine Erklärung, wenn sie nur mit entsprechender Vehemenz und ausreichendem rhetorischem Schwung abgegeben wird, dank der Überzeugungskraft, von der sie getragen zu sein scheint, grundsätzlich nicht mehr in Zweifel gezogen wird.
    An einer Stelle seines Buches hat Mr. Firman viel über die Technik der ›Verleumdung‹ zu sagen. Keineswegs alles davon wurde, wie er behauptet, in der Villa Esmaralda gesagt, aber egal. Ich bin bereit, allem, was Mr. Firman über Wege und Möglichkeiten, einen Gegner zu verleumden, zu sagen hat, zuzuhören. Er ist ein Experte auf diesem Gebiet.
    Erwägen Sie einen Augenblick lang seine Schilderungen von mir und meinem Benehmen, gesellschaftlich sowohl als auch beruflich.
    Wenige Männer sind bar jeglicher Eitelkeit, Idiosynkrasien und läßlicher Schwächen. Viele, und ich zähle mich zu ihnen, wiewohl ich keineswegs abnorm gehandikapt bin, besitzen überdies sichtbare physische Absonderlichkeiten. Über seine äußere Erscheinung wird sich ein vernünftiger Mann meines Alters nur noch selten Illusionen machen; und wenn er auf Konferenzen häufig fotografiert wurde und seine eigene Vortragsstimme wiederholt über Fernsehen und Rundfunk selber zu hören bekam, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch die letzten Reste von Eitelkeit abgelegt haben.
    Ich habe einen überstehenden Oberkiefer und was man gemeinhin ›Raffzähne‹ nennt. Weil sie so stark vorstehen, versuche ich, sie stets sehr sauber zu halten. Ich pflege Abscheu und Unglauben durch ein kehliges Räuspern zum Ausdruck zu bringen. Als wir jung waren, versuchte meine Frau vergeblich, mich von dieser Angewohnheit zu heilen, die ihrer Ansicht nach ungünstig und zuweilen verletzend wirkte. Ich leide überdies an einer arthritischen Verformung des Rückgrats, die mein Arzt ›Papageienschnabel‹ nennt und die unter der medizinischen Bezeichnung Spondylitis bekannt ist. Sie macht vielen Menschen meines Alters zu schaffen, indem sie ihnen mehr oder weniger Unbehagen und Unwohlsein verursacht. Lange, heiße Fahrten in kleinen, unbequemen Wagen sind Gift für Papageienschnäbel. Bei mir zeitigt eine derartige Fahrt Muskelkrämpfe und Schmerzen im unteren Rücken; und ohne Erholungspause kann ich nicht mehr richtig gehen.
    Was macht Mr. Firman aus alldem?
    Ein Monster natürlich; ein blauäugig starrendes Monster mit blitzend weißen Hauern und einer zirkumflektierten Oberlippe, ein Monster, das all den köstlichen Wein hinunterschlabbert wie Wasser, seine zurückschaudernden Gefährten fröhlich mit Speichelsalven besprüht, das Essen mißachtet und dann davontaumelt, wobei er sich zur Stabilisierung mit geübter Geläufigkeit auf Möbelstücke stützt, während er abzieht, um seinen Rausch auszuschlafen. Das Monster redet nicht, es bellt, kläfft und trompetet nur. Das Monster nimmt kein Bad, wie dies Dr. Henson zum Nutzen der eingeschalteten Mikrofone tut, es läßt bloß Winde.
    Wie der Monsterschöpfer selber sagen würde: ›Und so weiter.‹ Mr. Firmans Ausführungen müssen mit vielen Körnchen Salz genommen werden.
    Wo also, mag ich gefragt werden, bleibt das menschliche Wesen, das uns versprochen wurde? Ist hier überhaupt keine Wahrheit zu finden? Handelt es sich bloß um Zusammenphantasiertes, um Material für eine klinische Fallstudie, das erst brauchbar wird, wenn es bearbeitet und interpretiert worden ist?
    Keineswegs. Wie Mr. Firman einräumt, ja behauptet, wurden viele der Unterhaltungen, die er wiedergibt, von den Tonbändern aus der Villa transkribiert. Ich habe meine Kollegen Henson und Connell zu diesem Punkt befragt, und sie stimmen beide mit mir überein. Solange man Firmans interpolierten Kommentaren, wenngleich einigen von ihnen

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