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Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Gründen befanden. Was sich zwischen ihnen abspielte, war tausendmal berauschender, als Wein es je sein könnte. Ihr Gespräch entspann sich immer weiter. Sie bekamen auch gar nicht mit, wie die Sonne unterging. Erst als ihre leeren Mägen sich meldeten, bemerkten sie, wie viel Zeit vergangen war.
    Eigentlich hätte er jetzt im Cockleshell arbeiten müssen. Aber seine Leute dort wussten ja, wo er war und mit wem er zusammen war, und würden ohne viel Aufhebens für ihn einspringen. Weil er wusste, dass er sich darauf verlassen konnte, nahm er Linda mit in die Küche des Trevail und kochte für sie.
    Er wollte sie mit Schlichtheit beeindrucken: köstliche frische Jakobsmuscheln auf würzigem Rucola an einer Trüffel-Schalotten-Vinaigrette.
    Linda bescherte es bereits den größten Genuss, ihm bei der Zubereitung zuzusehen, und das Essen selbst war exquisit. Als sie fertig waren, kostete sie auch noch dankend von dem starken Kaffee, den er ihr anbot.
    Während sie schweigend dasaßen und an ihren Tassen nippten, sah sie Rory eine Weile nachdenklich an. Er war wirklich schön. Mit seinen meerblauen Augen sah er sie voller Hoffnung an.
    Dann stellte er seine Tasse ab und neigte sich zu ihr.
    »In ein paar Wochen bin ich hier wieder weg«, sagte sie leise.
    Er nickte.
    »Ich weiß.«
    »Und wer weiß, wann ich wiederkomme. Wenn überhaupt ...«
    Er schwieg. Offenbar dachte er nach. Dann stellte er ihr eine Frage, die sie überraschte.
    »Was meinst du? Welches ist der beste Wein der Welt? Der beste oder der seltenste oder einfach dein absoluter Lieblingswein? Wenn du dir eine bestimmte Flasche aussuchen könntest?«
    Verwirrt sah sie ihn an. Das war ein seltsamer Themenwechsel. Doch dann dachte sie nach. Erinnerte sich.
    »Mein Vater würde sagen, der absolut beste Wein ist ein Vega Sicilia Unico Reserva Especial. Wie du weißt, ist mein Vater Patriot, was das angeht. Ich dagegen wollte schon immer mal gerne einen Romanee-Conti probieren, vielleicht einen 1997er.«
    »Romanee-Conti?«
    »Französischer Burgunder. Soll einer der besten Weine überhaupt sein ...«
    »Okay, also sagen wir Romanee-Conti. Stell dir vor, es gäbe auf der ganzen Welt nur noch eine einzige Flasche von 1997 – und sie stünde vor dir. Was würdest du tun? Würdest du nicht mal ein kleines Gläschen davon kosten, weil du weißt, wenn die Flasche weg ist, wirst du nie wieder davon kosten? Oder würdest du davon trinken, gerade weil du weißt, dass es eine einmalige Gelegenheit ist, die du beim Schopf packen und genießen willst?«
    Sie sah ihn an und lächelte.
    »Du willst also von mir wissen, was ich besser finde: sich den Rest des Lebens nach etwas zu verzehren, was man einmal kurz hatte, oder nach etwas, was man nie hatte?«
    Voller Hoffnung erwiderte er ihr Lächeln.
    »Ganz genau. Und?«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich währt am längsten.«
    »Das ist eine gute Einstellung. Aber meine ehrliche Antwort lautet: Ich weiß es nicht.«
    Er nickte, atmete aus, biss sich auf die Lippe. Dann nahm er zu ihrer Überraschung und ehrlichen Freude ihre Hand.
    »In zwanzig Jahren wirst du enttäuschter sein über die Dinge, die du nicht getan hast als über die, die du getan hast«, zitierte er Mark Twain. »Also mach die Leinen los. Verlasse den sicheren Hafen. Fang den Passatwind in deinen Segeln. Erforsche. Träume. Entdecke.«
    »Das ist wunderschön.«
    »Genau wie du«, sagte er leise.
    In der anschließenden Stille meinte Linda, ihr Blut in den Adern fließen zu hören.
    Dann führte sie seine und ihre Hand zu ihrer Wange. Als sie ihre Hand wegnahm, blieb seine, wo sie war.
    Sie schloss die Augen. Er nahm die zweite Hand dazu und umfasste ihr Gesicht, neigte sich ihr zu, küsste sie erst auf die Stirn, berührte dann mit den Lippen ganz sacht ihre Wimpern, strich mit ihnen über ihre Wangen – und bevor sie ihre Lippen erreichten, öffnete sie die Augen wieder und sah ihm direkt in die Augen.
    »Was wird das hier, Rory?«
    Seine Pupillen wurden größer, je länger er sie ansah. Sie war wie hypnotisiert.
    »Wenn du mich fragst, Linda Rivera« – er sprach ihren Namen aus, als schmecke er so gut wie die Jakobsmuscheln, die sie gerade gegessen hatten – »ist das der Anfang einer langen Reise ...«

– 21 –
    Julia spazierte in die Küche und blieb überrascht stehen.
    Sie war früh dran gewesen und direkt ins Büro gegangen, wo sie wie üblich als Erstes den riesigen Stapel Post gesichtet hatte.
    Der übliche Mist. Dazwischen hin und wieder etwas

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