Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loriot
Vom Netzwerk:
den Ring oder Tristan unvoreingenommen ansah und nicht erschüttert wäre.
    Le Viseur Weinen Sie auch mal im Theater oder in der Oper?
    Loriot Ich kann nicht leugnen, dass es solche Momente gibt - sogar erwartete Momente - weil ich ja das Stück oder die Oper kenne. Wenn sie auf den Punkt inszeniert ist und alles zeigt, was dahintersteckt, kann es sein, dass ich auch zum 20. Male erwischt werde und mir das Wasser in den Augen steht. Wagners Werke gehören zu meinen großen Lieben.
    Le Viseur Sie haben die Martha von Flotow in Stuttgart sehr delikat, differenziert, geistvoll, ironisch inszeniert. War das nur ein erster Schritt?
    Loriot Der nächste wird der Freischütz sein, zur Eröffnung des neuen Opernhauses in Ludwigsburg in diesem Sommer. Eine ganz schwierige Herausforderung. Danach kommen die Meistersinger in Stuttgart. Auf die ich mich auch sehr freue.
    Le Viseur Gibt es für Sie einen inneren Zusammenhang zwischen Trauer und Komik, Melancholie und Lachen?
    Loriot Ja. Obwohl ich mich dagegen wehre, dass jede Komik auch tragisch sein müsse. Nur sind Komik und Tragik natürlich benachbart -beides hat mit dem Misslingen zu tun.
    Le Viseur Sind Sie eher ein melancholischer Mensch?
    Loriot Ich bin Realist. Ich bin schwer zu Begeisterungsstürmen zu veranlassen. Aber ich neige überhaupt nicht zu Depressionen. Das hat mit einer gewissen Distanz zu tun. Ich wirke wohl manchmal unbeteiligt. Aber ich merke sehr genau, was passiert, leide genauso wie jeder andere auch. Vielleicht habe ich die Möglichkeit, mich ein bisschen abzugrenzen, etwas gar nicht erst an mich heranzulassen.
    Le Viseur Haben Vater oder Mutter bei Ihnen Anteil an Ihrer Art des Wesens und Ihrer Art des Humors?
    Loriot Sehr! Mein Vater hatte als preußischer Offizier einen unglaublichen Sinn für Komik und Witz. Nicht für den erzählten Witz, sondern für das Witzige schlechthin, obwohl er ein sehr ernster Mensch war: sehr religiös, ein großer Moralist, ein sehr guter Pädagoge. Er hat mein Leben sehr geprägt.
    Man kann fragen: Wo ist denn da der Platz für das Komische? Mein Vater sah das Komische immer sehr genau. Nur war er sehr entschieden, den Unernst nur bis zu einer Grenze an sich herankommen zu lassen. Hätte jemand seine religiöse Überzeugung in die Nähe eines Witzes gebracht, er hätte sehr unangenehm und sehr deutlich reagiert.
    Es freut mich, davon erzählen zu können, weil man im Allgemeinen den preußischen Junker und Offizier für humorlos hält. Das stimmt sicher nicht. Sie brauchen nur in den Simplicissimus zu gucken, der von vorn bis hinten Witze über das Offizierskorps und die Kirche enthält. Was viele nicht wissen: Diese Witze über preußische Offiziere stammten von diesen selbst. Die schickten das an die Redaktion in München. Thöny, Gulbransson, Th. Th. Heine griffen es auf und machten nur ihre Zeichnungen dazu.
    Le Viseur Welcher preußische Offizierswitz erscheint Ihnen denn spontan am komischsten?
    Loriot Sagt ein Offizier zum anderen: »Also, Sie haben ja ein janz entzückendes Frollein Braut!« Sagt der andere: »Finden Se? Mir jefällt se nich.«
    Le Viseur Sie waren 1986 in Ihrer Geburtsstadt Brandenburg, im Herzen Preußens. Gibt es inzwischen eine Teilung der Nation in Sachen Humor?
    Loriot Überhaupt nicht. Nur sind die Themen teilweise ein bisschen anders. Es gibt spezielle Dinge, über die man hier lacht, und andere Dinge, über die man dort lacht: zum Beispiel über alles, was mit der wirtschaftlichen Situation zu tun hat. Über bestimmte Mangelerscheinungen, das Nichtvorhandensein von Ersatzteilen, mangelnde Qualität in bestimmten Artikeln der Baubranche ...
    In der DDR würde ich einen Sketch, in dem ein Autoverkäufer verzweifelt versucht, seinen Wagen zu verkaufen, nicht bringen. Dort würde dem Mann natürlich der Wagen aus den Händen gerissen.
    Le Viseur Humor im bundesdeutschen Fernsehen - gibt's den überhaupt? Oder ist das ein schrecklich unterernährtes Kind?
    Loriot Nein, gar nicht! Die Bereitschaft ist groß beim Publikum - und bei den Sendern. Die Bereitschaft bei den Autoren leider nicht so, dass sie den Bedarf decken könnten. In der literarischen Landschaft Deutschlands wird der Humor von Seiten der Literaten mehr als Stiefkind angesehen.
    Le Viseur Geht in den Sendern die Angst um, man könne jemanden verletzen?
    Loriot Ich glaube nicht. Oder: nur bei politisch-satirischen Sendungen. Jeder Abteilungsleiter möchte nicht gern, dass sein Stuhl wackelt. Wenn er deutlich zu einer Seite

Weitere Kostenlose Bücher