Bitte sagen Sie jetzt nichts
tendiert, muss er damit rechnen, dass die andere Seite irgendwann Schwierigkeiten macht. Daraus entsteht die Forderung nach »Ausgewogenheit«. Jeder an verantwortlicher Stelle sollte seine eigene politische Meinung - verdammt noch mal! - runterschlucken und einfach danach entscheiden, was komisch oder treffend ist. Wenn es mal ganz gegen seine politische Meinung ginge, müsste er es dennoch machen können! An dieser Stelle hakt es ein bisschen. Da sind wir korrekturbedürftig.
Le Viseur Speziell das Bayerische Fernsehen brilliert ja gelegentlich durch Abschalten - vor allem bei Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt. Warum muss das so sein?
Loriot Das frage ich mich auch. Ich fand dieses Verhalten sehr ungeschickt. Gänzlich unnötig. Und auch der Sache schädlich.
Le Viseur Hatten Sie je Schwierigkeiten?
Loriot Niemals.
Le Viseur Warum eigentlich nicht?
Loriot Wahrscheinlich, weil man mir anmerkt, dass ich nicht parteipolitisch gebunden bin, sondern die absurde Verhaltensweise eines Politikers von rechts und von links genauso sehe. Da mache ich nicht den geringsten Unterschied.
Le Viseur Warum verkohlen Sie nie gezielt direkt Herrn Kohl, Herrn Vogel, Herrn Genscher, Herrn Strauß?
Loriot Das ist nicht mein Beruf. Ich bin kein politischer Karikaturist oder Satiriker. Ich bin Humorist. Mich interessieren die menschlichen Verhaltensweisen. Die sind wirklich an kein politisches Lager gebunden.
Es würde mich sehr stören, wenn man glaubte, ich sähe das Komische nur in einer bestimmten politischen Richtung. Denn dann ginge es mir ja nicht um typisch menschliches Verhalten, sondern um die Usancen einer Partei. Und das möglicherweise auch nur in einem bestimmten Zeitabschnitt. Das interessiert mich überhaupt nicht.
Ich habe - zeichnerisch und auch vom Text her - Strauß, Wehner, Schmidt, Brandt karikiert. Aber: Da sah ich bei jedem die typischen Verhaltensweisen dieses Berufs. Mich berührt es sehr unangenehm, wenn ich merke, dass politische Satire sich ausschließlich gegen eine bestimmte andere Meinung richtet.
Le Viseur Was darf Satire?
Loriot Natürlich darf Satire alles. Sie muss sogar alles dürfen. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, wie weit er meint, die Grenzen seines Taktgefühls abstecken zu müssen.
Le Viseur Ihr Produzent Horst Wendlandt sagte: »Der Film ist für den Humoristen viel freier als das Fernsehen!«
Loriot Natürlich ist der Film freier. Nur war dies für mich nicht der Grund, weil ich im Fernsehen niemals den geringsten Beschränkungen ausgesetzt war. Der Film bietet sehr viel größere technische Möglichkeiten.
Le Viseur Sie waren schon Professor Grzimek. Sie waren schon XY-Zimmermann, Löwenthal, Beethoven, Ludwig II., der Westernkiller Charles Bronson. Steckt in Ihnen ein großer Verwandlerich, ein Maskenfreak?
Loriot Mag sein. Aber es sind oft nur winzige Veränderungen, die allerdings sehr genau sein müssen. Wenn ich mich in ein Monster verwandle, dauert das natürlich drei Stunden und ist sehr mühsam. Bei der Darstellung von Grzimek oder Löwenthal kommt es vielmehr auf die Haltung, die Ausdrucksweise, den Text, das Gehabe an.
Le Viseur Eine Ihrer wahnwitzigsten Masken in den Fernsehsketchen ist die mit dem hervorstehenden Gebiss.
Loriot Ich hatte drei verschiedene Gebisse -für die verschiedensten Sketche. Das erste bestand aus zwei überdimensionierten Hauern, vorne oben, das zweite war nur ein unregelmäßiges Gebiss, das etwas schräg im Mund saß, das dritte waren Zähne, die ein bisschen in Richtung Jerry Lewis gingen.
Ich sprach darüber sehr genau mit einem Zahnarzt, der sehr gute Sachen machte, die ich mir dann in den Mund stecken konnte. Nicht statt meiner Zähne! Die kann ich nicht rausnehmen, hab ich noch alle - sondern über meine eigenen.
Le Viseur Was sind nach Ihrer Meinung die speziellen Meriten oder Mängel bei führenden Fernsehhumoristen wie Otto, Hallervorden, Carrell?
Loriot Sie können nicht im Ernst annehmen, dass ich irgendwie Kritik über einen Kollegen äußere. Sie haben alle ihre Meriten und haben in den Jahrzehnten das Feld bereitet. Da gelingt und misslingt mal was. Das geht uns allen so. Jeder hat sein Publikum, das sich mal überschneidet, mal sehr getrennt ist. Es gibt eine ganze Reihe von Zuschauern, die überhaupt nicht komisch finden, was ich mache, dafür ganz auf Hallervordens Linie liegen. Und umgekehrt.
Le Viseur Auch mit dieser Aussage zeigt sich, dass Sie nicht polemisch sind. Sie sind unverletzend, obwohl Sie auch schon
Weitere Kostenlose Bücher