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Bitte sagen Sie jetzt nichts

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Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loriot
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hat, immer ein bisschen auf Kriegsfuß.

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    Der Faun und sein Wunschtraum
    Der Spiegel, 7. März 1988
    Der Spiegel Herr Loriot, in Ödipussi spielen Sie ein Muttersöhnchen hart an der Pensionsgrenze. Warum haben Sie Ihren ersten Spielfilm so spät gedreht?
    Loriot Ich bin preußisch erzogen worden, also zur Sparsamkeit. Der Aufwand für einen Film erschien mir als zu groß, weil ich dachte: Das, was ich machen kann, kann ich auch in der sehr viel preisgünstigeren Form machen, nämlich auf dem Papier oder im Fernsehen als Fernseh-Sketch.
    Der Spiegel War neben der preußischen Sparsamkeit also auch die Angst, dass Ihre Figuren nur Sketch-Länge haben? Jemand, der mit einer Nudel im Mundwinkel eine Liebeserklärung macht, der ist wunderbar komisch für fünf Minuten, aber was macht er den restlichen Abend?
    Loriot Dies war das Hauptproblem. Darum habe ich auch bis heute die Befürchtung, dass ich die Erwartungen nicht erfüllen kann, weil diese nebulösen Vorstellungen von Nudeln und Männern in der Badewanne so stark sind, dass man sich ihnen nicht ganz entziehen darf. Andererseits wusste ich, dass diese Form für die eineinhalb Filmstunden nicht möglich ist. Ich musste mich davon entfernen. Die ganze Schwierigkeit, all das, worüber ich nachgedacht habe, war immer: Wie nahe muss ich an dem bleiben, was ich bisher gemacht habe, und wie weit muss ich mich davon entfernen, um einen Film machen zu können? Diese Gratwanderung war sehr heikel.
    Der Spiegel Die Lösung war also ein bejahrter Ödipus, der von der Mutter weg zum Weibe drängt. Was hat denn dieses Häufchen wohlerzogenes Elend mit Ihnen zu tun?
    Loriot Man kann sagen, dass Odipus ein kommunikationsgestörter Mensch ist, und Kommunikationsgestörte interessieren mich am meisten. Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-Vorbeireden, aus den Problemen, sich zu äußern, aber auch daraus, das Gesagte zu verstehen. Komik besteht aus absichtlichem und unabsichtlichem Missverstehen, aus all diesen Verknotungen und Schwierigkeiten. Die früheste falsche Weichenstellung, das früheste Missverhältnis ist eigentlich das Verhältnis zwischen Mutter und Kind, in dem Falle zwischen Mutter und Sohn. Weil ich ja nun mal ein Mann bin, musste das also der Ödipus sein.
    Der Spiegel Wenn einer so lange wie Ihr Held an Mamas Rockzipfel hängt, dann entsteht eine schon groteske Komik.
    Loriot Ja, das Gefälle wird größer. Ein Muttersöhnchen von 16 Jahren ist durchaus glaubwürdig; es kann sich ja noch ändern. Auch ein Muttersöhnchen von 35 ist noch nicht ganz so komisch. Aber es begibt sich schon auf das Glatteis, von dem es schwer oder gar nicht mehr zurückkommen wird. Beim 56-Jährigen ist eigentlich Hopfen und Malz verloren. Wenn jemand älter wird, dann hat er auf mehr Respekt Anspruch, seine äußerliche Erscheinung ist würdevoller - und umso steiler ist sein Fall.
    Der Spiegel Ihr Held im Kinderzimmer zwischen der Landkarte und dem Nashorn - ist das nicht krankhaft übertrieben?
    Loriot Es sind Erfahrungen. Es ist im Grunde alles gar nicht so furchtbar weit weg.
    Der Spiegel Hat die Figur etwas mit Ihrer Autobiographie zu tun?
    Loriot Nein. Ich habe meine erste Mutter nie wirklich kennengelernt. Sie starb, als ich sechs Jahre alt war. Darum habe ich an sie fast keine Erinnerungen. Dann bin ich von meiner Großmutter aufgezogen worden, bis mein Vater wieder geheiratet hat. Da war ich zehn. Zu meiner zweiten Mutter habe ich seit 54 Jahren ein gutes, völlig komplexfreies Verhältnis. Ödipus kommt also nicht auf seine Kosten.
    Der Spiegel Vielleicht rührt er sich gerade deswegen, weil er nicht auf seine Kosten kam. Anders gefragt: Ist Ihr Film dann vielleicht eine Sehnsuchtsp roj ektion ?
    Loriot Das ist eine überraschende Frage, die mich in Verlegenheit bringt. Darüber muss ich nachdenken. Ich glaube, dass jeder Mann, ob er es nun leugnet oder nicht, sich in der Nähe einer starken Frau nicht unwohl fühlt. Ich könnte mir denken, dass er es nicht wahrhaben will; aber irgendwo ist es natürlich angenehm. Man kann einen Teil der Verantwortung übertragen; es gibt jemanden, der einem sagt, was richtig und was falsch ist. Denn auch die alten Mütter sagen: »Junge, das kannst du nicht machen!« Und wenn sie 85 ist, wird sie immer noch sagen: »Nee, nee, also Kinder, das nun wirklich nicht.« Und der Sohn wird sich durch eine Autorität gern zwingen lassen, weil es ihn der Verantwortung enthebt.
    Der

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