Bitte sagen Sie jetzt nichts
Richard verlassen hat, verständlicherweise. Sogar der geprellte Gatte hat es verstanden, was die Sache nicht besser macht.
Everding Cosima wollte gar nicht, dass dieses Theater entsteht, aber mein Vorvorgänger, Herr von Possart, hat es durchgesetzt. Sie haben gesagt, ohne Wagner gäbe es keine moderne Musik.
Loriot Ja, denken Sie an den Tristan, mehr muss ich Ihnen nicht sagen.
Everding Alles, was Sie interessiert, haben Sie gesagt, stammt aus dem 19. Jahrhundert: Wagner, Verdi, Strauss, Puccini, Brahms, Bruckner, der späte Goethe. Sind Sie ein Reaktionär?
Loriot Nein, aber man kann seine Wurzeln nicht verleugnen. Wurzeln sind Wurzeln, und für mich liegen die Wurzeln eben doch im 19. Jahrhundert.
Everding Damals war das noch eins, Musik, Literatur und Theater gehörten noch zusammen -im Gegensatz zu heute.
Loriot Ja, merkwürdigerweise. Wagner war ein hochmoderner Komponist, trotzdem war er zu seiner Zeit populär - teilweise gehasst, teilweise geliebt. Heute ist die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit nicht auf moderne Komponisten gerichtet, und man versteht sie nicht mehr so, wie man damals den Zeitgenossen Wagner verstand.
Everding Sie haben etwas Sensationelles gewagt: Sie haben Wagners ganzen Ring an einem Abend aufgeführt. Wie war denn das? Was war denn das?
Loriot Die Mannheimer Oper wurde ausgebaut und restauriert. Es stand nur ein Konzertsaal zur Verfügung, und der damalige Intendant, Professor Schultz, fragte mich: »Was machen wir bloß in dieser Zeit?« Wir hatten eine Idee: »Machen wir doch Wagner für Anfänger: Sie spielen Wagner mit vollem Orchester auf dieser Bühne, und ich erzähle die Geschichte in 24 Einzelteilen.« Und das hat funktioniert.
Everding Wenn Sie in ein Hotel gehen, dann müssen Sie diesen Fragebogen ausfüllen, und da steht ›Beruf‹, was schreiben Sie dort? Karikaturist oder Autor, Regisseur oder Schauspieler? Sie könnten ja auch schreiben Philosoph, Soziologe, Psychologe.
Loriot Zunächst einmal bin ich ratlos, stehe eine Weile dort und kaue am Bleistift und schreibe dann einfach Loriot hin.
Everding Sie haben es so meisterhaft verstanden, die Absurdität gesellschaftlicher Konventionen herauszustellen.
Loriot Ja, gerade weil ich aus einer Familie und Kreisen komme, die auf Form sehr viel Wert legten, war es für mich reizvoll, diese Formen zu unterlaufen, obwohl ich nichts gegen Formen habe. Ich glaube, dass wir ohne Formen überhaupt nicht leben könnten. Genauso wenig wie im Straßenverkehr etwas ohne Rot, Grün und Gelb funktioniert, können wir ohne Konventionen, also Abkommen, wie wir uns gegenseitig behandeln wollen, leben.
Everding War in Ihren Figuren auch immer eine Portion von Ihnen selbst enthalten?
Loriot Natürlich, denn der einzige Mensch, den man wirklich kennt, ist man eben selber.
Everding Und Gebrechen sind kein Gegenstand der Komik?
Loriot Nein, nein, weder Krankheit noch Rasse noch Tod noch Gebrechen. Was auch immer einen Menschen persönlich betrifft, ist kein Anlass, sich darüber zu mokieren.
Everding Ich erinnere mich, dass Sie gesagt haben: »Nicht der bürgerliche Blick bricht die bürgerliche Welt, sondern der anarchische.« Sind Sie ein Anarchist, Herr von Bülow?
Loriot Solange es komisch ist, ja. Es gibt nichts Komischeres, als Anarchist zu sein, ohne im Grunde einer zu sein.
Everding Sie sind ein Regisseur, Sie haben Opern inszeniert, Sie haben Filme gemacht. Wir sitzen auf einem Sofa, das nicht zu unserem Fundus gehört, es gehört nicht ins Prinzregententheater. Kennen Sie das Sofa?
Loriot Ich kenne es leider sehr genau. Das heißt, nicht leider, sondern Gott sei Dank! Es ist das Sofa aus der Requisite von Radio Bremen, auf dem ich drei Jahre gesessen habe.
Everding Das spürt man, man versinkt bald.
Loriot Ja, man könnte es ein bisschen aufpolstern.
Everding Was fand dort an berühmten Sketchen statt?
Loriot Die Sketche wurden in Restaurants oder im Studio gedreht, Die Nudel zum Beispiel, aber Berichte darüber und die Moderation, die habe ich alle auf dem Sofa gemacht.
Everding Bei welchen Opern haben Sie Regie geführt?
Loriot Bei Martha und Der Freischütz .
Everding Sie haben gesagt, und das hat mir sehr gefallen: »Wenn man modern inszeniert, dann wird man bei Kritikern geliebt und beliebt, aber das Volk versteht einen nicht.« Wie haben Sie inszeniert?
Loriot Man sollte diesen Unterschied eigentlich nicht so deutlich machen. Entscheidend ist einfach, ob es dem Publikum Spaß macht. Sind die Zuschauer
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