Bitte sagen Sie jetzt nichts
Sie liebenswürdig?
Loriot Ich bin sehr genau, weil man als Regisseur mit dem Geld anderer Leute umgeht, und das sollte man sehr nachdenklich tun. Und man kann als Regisseur - das brauche ich Ihnen nicht zu sagen - gar nicht genau genug sein.
Everding Richtig. Wir werden so gerne eingekastelt von Kritikern, von allen.
Ist an Ihrem Humor etwas typisch? Ist er britisch, ist er deutsch?
Loriot Britisch, was immer behauptet wird, sicher nicht. Was mir vielleicht anhaftet, ist das Understatement. Aber sonst ist der britische Humor ganz anders als unserer. Er ist auf der Bühne deutlich, deftig und gar nicht das, was man britischen Humor nennt. Britischer Humor findet privat statt. Der Brite selbst, zu Hause, persönlich mit seiner Frau, in seinen Clubs oder Vereinen, der hat einen ganz bestimmten Humor, mit dem er sich selbst bespiegelt und selbst nicht ernst nimmt. Das ist das Britische. Aber was an Unterhaltung in Film und Fernsehen produziert wird, ist ein sehr deutlicher, drastischer Humor. Ich bin oft vor die Frage gestellt worden, warum ich nicht international arbeite. Ich hätte dann bestimmte Dinge unterlassen müssen. Zum Beispiel reizt mich diese verkorkste deutsche Alltagssprache sehr, zum Beispiel das Wort Sitzgruppe, oder das Wort Auslegeware - beides Worte, die ich sehr gerne satirisch verwende. Das ist nicht übersetzbar. Ich müsste darauf verzichten, wenn ich international arbeiten würde, und darum blieb ich auf der deutschen Seite.
Everding Wie ist der deutsche Humor, was gibt es da für Charakteristika?
Loriot Um mit etwas Negativem zu beginnen: Der deutsche Humor liebt die Schadenfreude, und das ist etwas, was in England nicht so deutlich ist. Aber der deutsche Humor hat ebenso viele Vorteile wie jeder andere. Nur hat das Komische an und für sich nicht denselben Stellenwert wie in England, Amerika oder Frankreich.
Everding Ihr Humor ist nicht national geprägt, er ist universal.
Loriot Sie bringen mich zum Erröten. So weit würde ich nicht greifen.
Everding Nein? Aber Sie haben auch gesagt, und da möchte ich Sie festhaken: »Die Dichter haben das Lachen verlernt.«
Loriot Es ist sehr selten, dass bedeutende deutsche Schriftsteller sich der Komik zuwenden.
Everding In Deutschland wird man nicht recht ernst genommen, wenn man humoristisch ist. Verändert ein Humorist die Welt?
Loriot Nein. Leider überhaupt nicht, sonst wären wir nicht da, wo wir sind.
Everding Aber Sie haben die Welt verändert.
Man sieht durch Ihre Sichtweise die Welt etwas anders.
Loriot Naja, das mag sein. Dass man einen anderen Blick bekommen hat. Das wäre schon eine ganze Menge. Aber dass sich dadurch im wirklichen Leben etwas änderte, das kann man leider nicht sagen.
Everding Trifft es Sie, wenn ein Kritiker von Ihnen sagt, Sie hätten einen spezifischen Aristokratenhumor?
Loriot Das finde ich absurd, das würde ich gar nicht ernst nehmen.
Everding Heute steht in jeder Zeitung etwas über den Verlust der Tugend. Haben Karikaturisten und Humoristen eine besondere Tugend einzuhalten?
Loriot Der Humorist muss, ob er will oder nicht, eine gewisse Moral haben. Wenn jemand satirisch arbeitet oder sich über andere mokiert, muss er selber wissen, wie man es besser macht.
Everding Wo sind die Grenzen der Satire?
Loriot Die Grenze ist für mich die Taktlosigkeit. Ich würde es unverzeihlich finden, Komik entstehen zu lassen, in der andere leiden.
Everding Gibt es Themen, die sich Ihnen verschließen, wo Sie sagen: Nein, das will ich nicht komisch beleuchten? Mich hat sehr beeindruckt, als Sie gesagt haben: »Der Krieg, den wir angezettelt haben, den darf ich nie komisch darstellen.«
Loriot Das ist richtig. Da ist die Grenze bereits längst überschritten. Das hat nichts mit dem sogenannten Landserhumor zu tun, also wenn Soldaten unter sich komisch sind. Ich bin viele Jahre Soldat gewesen, musste es leider sein auf Grund der kriegerischen Verhältnisse, und da fand man natürlich auch manches sehr komisch. Aber das bezieht sich nicht auf die Tatsache des Krieges, sondern auf absurde Einzelheiten.
Everding Was würden Sie jungen Schauspielern, jungen Sängern, jungen Regisseuren, jungen Dramaturgen nach Ihrem doch erfüllten Leben sagen? Was sollte man eigentlich für diesen Beruf mitbringen?
Loriot Etwas, was Sie vielleicht nicht vermuten: den Sinn für Sprache. Ich habe den Eindruck, dass auf unseren Bühnen Sprache nicht genügend ernst genommen wird. Die Begeisterung für Sprache, die Begeisterung, sie
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