Bitte sagen Sie jetzt nichts
korrigieren, was ich geschrieben habe! Früher habe ich gedacht: Au fein! Brillieren werde ich - das ist ja toll! Kriegte nach vierzehn Tagen ein Konvolut von 26 Schreibmaschinenseiten mit der Bitte, falls mir etwas nicht gefiele, solle ich es doch bitte ändern. Und da mir nichts gefiel, muss ich das Ganze neu schreiben... Also dann lieber den Stuss, den ich vorher wirklich gesagt habe. Unkorrigiert!
Corti Wie pingelig sind Sie denn nun wirklich bei der Arbeit?
Loriot Sehr! Viel schlimmer noch als mein Ruf.
Corti Wirklich?
Loriot Ja, wirklich! Das liegt natürlich daran, dass es mir eben einfach nicht gegeben ist, perfekt zu schreiben. Herr Heym kann sich hinsetzen, Herr Troller kann sich hinsetzen und schreibt. Und dann steht es da und braucht in wahrscheinlich nicht so immanenter Weise geändert werden, wie es bei mir der Fall ist. Ich muss mit dem Rohstoff, der vor mir liegt, erst einmal arbeiten. Das dauert eben sehr lange! Und ich möchte sagen, dieses Unvermögen zwingt mich zur Genauigkeit. Hinterher.
Corti Und wie machen Sie es, dass Sie Ihre Partner dabei noch in der Freiheit lassen, zu fliegen? Denn das muss ja ein Schauspieler ...
Loriot Nun gibt es ein Geheimnis: Man muss diese Sache lieben. Ich liebe Schauspieler und liebe es, mit Schauspielern, mit Menschen, die vor der Kamera diesen wahnsinnigen Beruf haben, zusammenzuarbeiten. Und wenn diese Liebe rüber-kommt, ist schon ein großer Teil geschafft. Das andere, und das ist etwas, was mich bei meiner letzten Filmarbeit ungeheuer gefreut hat: Ich habe gemerkt, dass Schauspieler nicht etwa gequält sind, wenn sie eine Sache fünfmal, sechsmal, siebenmal, achtmal machen müssen. Nein, im Gegenteil. Beim Fernsehen heißt es häufig: »Klappe, danke, bumms, das war's, genügt.« Da sagt der Schauspieler: »Moment, wir haben doch gerade erst angefangen zu arbeiten!« - »Nö, danke, stimmt schon, ist im Kasten.« Das finden die nicht gut, denn ein Schauspieler möchte ja auch arbeiten, er möchte zeigen, was er kann. Und wenn man ihm die Gelegenheit dazu nicht gibt, ist der Beruf todlangweilig! Und wenn man nun diesen richtigen Ton findet und sagt: Komm, jetzt arbeiten wir zusammen und machen das Beste, was wir machen können - zusammen! Dann möchte ich den Schauspieler sehen, der nicht bereit ist, es 27-mal zu machen, wenn es am Schluss etwas ist, was ihm genauso gut gefällt wie mir.
Corti Was ist die größte Klappenanzahl?
Loriot Die äußerste? Ich glaube, zweiunddreißig.
Corti Würden Sie auch einmal mit einem anderen Regisseur arbeiten?
Loriot Wissen Sie, ich bin jetzt im Rentenalter, vergessen Sie das doch nicht, mein Gott! Ich habe zu spät angefangen ...
Corti Als 1938 das in Deutschland geschah, was komischerweise immer noch Reichskristallnacht heißt, obwohl es eigentlich Pogromnacht hieße, da waren Sie wo?
Loriot Dass Sie das ansprechen, ist verständlich, weil es sich nun gerade gejährt hat. Interessant ist es, weil es ein Moment ist, der mir sehr deutlich in Erinnerung geblieben ist. Es ist einer der ganz wenigen Momente dieser Zeit, von der ich sonst sehr viel vergessen oder verdrängt habe. Ich war damals in Stuttgart am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, ich hatte einen ziemlich langen Schulweg, den ich nicht mit der Straßenbahn machen konnte, weil wir so viel Geld nicht hatten. Ich lief also zu Fuß vom Eugensplatz durch die ganze Stadt auf die andere Seite, wo das Gymnasium war. Und an diesem Tag brannten dort die Synagogen, die Läden waren zerworfen, die Scheiben kaputt. Wir waren ganz sprachlos - wir waren zu zweit oder zu dritt. Ich war zu dem Zeitpunkt fünfzehn.
Corti Waren Sie in der Hitlerjugend?
Loriot Nein. Ich war nicht in der Hitlerjugend, sondern wir waren im sogenannten Jungvolk. Hitlerjugend waren die Braunen, die gehörten zur Partei. Dieses Jungvolk war die Pflichtjugend, in die man automatisch eintreten musste, die waren schwarz gekleidet und hatten keine Hakenkreuzbinden, wie es immer in allen Filmen zu sehen ist. Wir gingen durch die Stadt und standen zwischen diesen zerstörten Geschäften. Es fällt mir sehr schwer, darüber zu sprechen, weil es heute niemand gewesen sein will und jeder behauptet, er habe davon Abstand genommen ... Ich möchte da nicht gerne in einen Topf geworfen werden mit denen, die hinterher so tun, als seien sie immer schon dagegen gewesen.
Es war wirklich so: wir haben uns zu Tode geschämt. Wir standen auf dieser Straße, auf der Königstraße, und als wir sahen, was passiert war,
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