Bitte sagen Sie jetzt nichts
teuer ist. Da muss ich mich ernst nehmen, um diesen armen Mann nicht reinzureiten.
Everding Ich vergesse nie, was mein Ubervater Fritz Kortner über Tempo gesagt hat. Tempo heißt, alles so schnell zu machen, dass man die Fehler nicht mehr merkt.
Loriot Ich glaube, dass man in einer Tragödie hie und da einen kleinen Fehler machen kann. In einem Lustspiel, wenn etwas auf den Punkt genau getimed ist - und nur das bringt ja Komik zustande, Komik ist Timing - wenn man da einen Fehler macht, wird einem der nicht verziehen.
Everding Ich wünsche allen Zuschauern, einmal bei einer Probenarbeit bei Herrn von Bülow dabei sein zu können und zu merken, wie humorlos es da zugeht. Wie Actio und Reactio aufeinander abgestimmt sind. Wie Humor nur entsteht durch eine ungeheure Disziplin, durch eine Bescheidenheit und ja, durch Vorbereitetsein, ein Thema, das heute auch nicht mehr so sehr en vogue ist: Man muss wissen, was man tun will.
Loriot Man muss das Stück kennen, das man auf die Bühne bringen will. Das ist richtig. Aber dass es ganz ohne Humor zugeht, glaube ich, würden meine Ensembles nicht behaupten. Ab und zu wird schon sehr gelacht.
Everding Wir sind hier im Prinzregententheater auf der Bühne, auf den Brettern, die die Welt bedeuten sollen. Bedeuten sie für Sie die Welt, oder gibt es Wichtigeres als das Theater?
Loriot Das ist sehr schwer zu beantworten. Wenn man mitten in einer Arbeit ist, gerade als Regisseur, wenn man ein Stück, an dem einem sehr viel liegt, gerade in seinen Händen hat, dann darf es nichts Schöneres geben. Wenn man die Arbeit aber wieder hinter sich hat, dann ist der Blick wieder frei für das andere, für die Familie, für das eigene Leben, dafür, wo man hinmarschiert, wo man hergekommen ist. Das macht einen ein bisschen nachdenklich. Dann ist es nicht nur die Bühne, sondern die eigene Lebensbühne, die das Interesse wieder für sich beansprucht.
Everding Verzeihen Sie die Pathetik dieser Frage, aber wir gehen in ein neues Jahrtausend -was erhoffen Sie sich davon? Vom Theater, vom Leben, von der Komik? Wenn wir noch 100 Jahre lebten, was erhofften Sie sich?
Loriot Von der Jahrtausendwende verspreche ich mir überhaupt nichts, da wird der nächste Morgen so sein wie der Morgen zuvor, da wird einfach schlicht gar nichts passieren. Das wird eine ungeheure Enttäuschung über Millionen von Menschen ausgießen, die sich alle in Hotels versammelt haben und auf diesen ungeheuren Moment warten. Und was passiert? Überhaupt nichts.
Everding Aber bei den vergangenen Wenden war immer eine ungeheure Erregung unter den Menschen. Man sagte, Christus käme wieder oder die Welt gehe unter. Diese Wende ist schon etwas Einschneidendes im menschlichen Bewusstsein.
Loriot Sicher. Das wird schon alles passieren; nur nicht gerade zu einer Jahrtausendwende oder einem bestimmten Datum oder einer bestimmten Uhrzeit.
Everding Das Theater soll uns begleiten von der Wiege bis zur Bahre. Was bedeutet der Tod für Sie?
Loriot Er gehört zum Leben wie die Geburt. Nur eins ist wohl sicher: Das Leben fängt nicht mit 75 an.
Everding Sie haben einmal gesagt, das Leben ist gar nicht zumutbar. Was haben Sie damit gemeint?
Loriot Ich meine, die Anforderungen an unser Leben, wenn wir es so führen, wie wir es sollten, sind so hoch, das sie eigentlich kaum erfüllbar sind.
Everding Aber es geht doch nun los, dass wir beide jeden Tag darüber nachdenken, dass die Zeit bemessen ist, die noch vor uns liegt, nicht?
Loriot Ja, und darum bin ich sehr vorsichtig mit dem Annehmen von Aufträgen aller Art.
Everding Wünschen Sie sich eigentlich einen schnellen Tod oder einen vorbereiteten?
Loriot Vorbereitet und schnell.
Everding Sie wissen, im Mittelalter betete man zum Heiligen Christopherus, um keinen schnellen Tod zu haben, damit man vorbereitet in den Tod hineingehen konnte. Heute wünscht man sich, ganz schnell und bewusstlos zu sterben. Ich mag das auch nicht.
Loriot Nein, ich möchte es wissen und vorher Zeit haben.
Everding Wofür?
Loriot Um noch etwas zu ordnen, Abschied zu nehmen und mit mir auch im Reinen zu sein.
Everding Auch eine kleine Gewissenserforschung?
Loriot O ja.
Everding Ich mache das eigentlich jeden Abend, wenn ich mein Tagebuch schreibe. Dann sage ich mir immer: »Mein Gott, was hast du als Intendant heute wieder falsch gemacht. Wer ist wieder an dir vorbeigegangen, der eigentlich ein Mozart ist.« Denn vieles macht man nur flüchtig. Das ist so die Gewissenserforschung, die wir am
Weitere Kostenlose Bücher