Bitte sagen Sie jetzt nichts
Faszinierende an diesen beiden großen Geistern?
Loriot Ein Preuße und ein Franzose: Eigentlich sollte man annehmen, das ginge gar nicht zusammen, weil das Erbfeinde sind. Aber es kommt nicht auf die Nationalität an, sondern auf die Geisteshaltung, und da sind die beiden sich sehr nahe.
Everding Man bereitet sich gerade auf einen neuen Bundespräsidenten vor, und ich erinnere mich daran, dass es viele Zuschriften gab, die verlangten, Vicco solle Bundespräsident werden. Und zwar unter dem Motto »Veni, Vidi, Vicco« - Wie wär's denn?
Loriot Nein, vielen Dank. Das wäre das Letzte, was mir gefehlt hätte.
Everding Es wäre aber eine Krönung. Auch für das deutsche Volk ...
Loriot Das haben Sie gesagt.
Everding Ja, das habe ich gesagt. - Eine Auszeichnung darf ich nicht vergessen, Sie bekamen von einer Schüler-Jury in Weilheim einen Literaturpreis, stimmt das ?
Loriot Ja, vor wenigen Tagen. Das hat mich ganz besonders gefreut, dass die Jugendlichen, die Kinder, sich mit meiner Arbeit beschäftigt haben. Und ich hoffe, es betrifft nicht nur das Amüsement, das sie hatten, sondern auch noch einiges andere. Was mir schwer auf der Seele liegt: Ich muss zur Annahme des Preises eine Rede an die Jugend halten. Das ist etwas ganz Neues, und davor habe ich ein bisschen Angst.
Everding Wie begegnen Ihnen die Menschen, wenn Sie über die Straße gehen? Stupsen die sich an und zeigen auf Sie?
Loriot Das sehe ich nicht so recht, meine Frau beobachtet das manchmal und amüsiert sich darüber.
Everding Sind Sie gerne bekannt?
Loriot Nicht immer. Es hat natürlich seine Vorteile, und ich will nicht ungerecht sein und auch nicht undankbar; es ist ja mein Publikum. Manchmal ist es etwas viel, aber dankbar bin ich trotzdem.
Everding Sie haben so viele Bilder produziert, das Fernsehen überfällt uns mit Bildern. Wir leben in einer so bilderfülligen Zeit. Gibt es da noch Vorbilder?
Loriot Mein Vater.
Everding Was war das Hervorstechende an ihm, das ausmacht, dass er jetzt noch Ihr Vorbild ist?
Loriot Er war ein strenger Vater, auch ein sehr humorvoller, aber stets jemand, der für mich das Maß aller Dinge war. Wenn ich nicht genau wusste, was richtig und was falsch war, brauchte ich ihm das nur zu schildern, und er wusste es sofort. Er war vollkommen unbestechlich, absolut unbestechlich, was ihn auch nicht immer ganz einfach machte für seine Umgebung. Denn jemand, der immer gerecht und immer genau ist, der ist auch schwierig.
Everding Wenn Sie jetzt von Bergeshöhen herunterschauen auf all die Hügel und Täler ... So ein ganz kleiner Rückblick würde gerade die jungen Leute interessieren. Schauen Sie mal zurück, eine Minute. Was liegt so hinter Ihnen? Welches Leben ist das?
Loriot Na ja, es ist ein Leben. Ich werde häufig gefragt: Würdest Du alles noch mal so machen? Und da muss ich denn doch sagen: Nein. Ich würde diese Unmenge an Arbeit so nicht mehr auf mich nehmen. Ich weiß, dass Sie das sehr wundert, da Sie unablässig tätig sind und es lieben; jeden freien Abend verabscheuen, das weiß ich. Bei mir ist es so, dass ich das Gefühl habe, ich habe ein bisschen zu viel arbeiten müssen, und das ist etwas auf die Kosten meiner Kinder gegangen.
Everding Aber Sie wirken so ungeheuer ausgeglichen. Als ob diese Arbeit Movens gewesen wäre.
Loriot Es hat mich zwischendurch immer wieder sehr befriedigt, mir war aber klar, dass das Glück der Arbeit immer darin bestand, etwas fertig zu haben. Einen Termin wahrgenommen zu haben, der mir auf der Seele lag: Das war die eigentliche Freude. Es sollte aber auch so sein, dass eine Arbeit, während man sie tut, begeistert, und da ist das Zeichnen und das Schreiben und das Filmemachen doch eine ungeheuerliche Anstrengung, die man im Nachhinein als sehr angenehm empfindet. Wenn man aber genau überprüft, was war, ist es doch sehr viel Mühe und Arbeit gewesen.
Everding Bei der großen Erinnerungswelt, die Sie überblicken können, sind zwei Erinnerungen festzuhalten. Einmal, als Sie im Brandenburger Dom und dann ... Erzählen Sie das doch bitte.
Loriot Das war noch in der Zeit des geteilten Deutschland. Es war möglich gemacht worden, dass ich in Brandenburg im Dom eine Ausstellung machte und dazu empfangen wurde. Und, was ich nicht für möglich hielt, der Dom war brechend voll mit Menschen, die teilweise, als ich hereinkam, in Tränen ausbrachen. Die Orgel begann zu spielen, ein Männerchor sang, es war fast nicht mehr zu ertragen. Es war ungeheuerlich rührend.
Weitere Kostenlose Bücher