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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Bewegungsmelder ausgelösten Beleuchtung über dem Portal zugeordnet hatte: Das dichte, streng zurückgekämmte Haar des Riesen war ebenso schneeweiß wie dessen Augenbrauen und Wimpern. Die teigige Gesichtshaut schien selten der Sonne ausgesetzt zu sein, und die Augenpartie war stark gerötet, so als hätten diese Augen stundenlang, tagelang auf einen Computer-Bildschirm gestarrt. Der Riese winkte ihn heran. Das Gesicht war völlig ausdruckslos, die Gestik aber unmissverständlich: Arme heben und Beine spreizen.
    »Finger weg. Sonst verschwinde ich auf der Stelle. Und zwar mit der Ware. Bist du derjenige, der bestellt hat? Nein, natürlich nicht. Also? Was ist? Wie lange willst du mich noch hier draußen im Regen stehen lassen? Wo ist Eliska?«
    Zoran begriff, dass der Riese allenfalls das letzte Wort verstanden hatte. Also zeigte Zoran ihm kurz das Päckchen mit dem weißen Puder, schob es wieder zurück in die Manteltasche und grinste ihn herausfordernd an. Der Riese verwendete noch einen Moment darauf, sich Zorans Gesicht für alle Zeiten einzuprägen. Dann ließ er ihn passieren und schloss die Tür von außen.
    Die Empfangshalle war deutlich größer als Zorans gesamte Wohnung. Geradeaus führte eine breite Treppe hinauf in den ersten Stock, links und rechts stand je eine mächtige Flügeltür weit offen. Die Nähte der Tapete aus bordeauxrotem Samt bogen sich an manchen Stellen wie die Haut einer im kochenden Wasser aufgeplatzten Bockwurst. Die goldenen Rahmen der Gemälde an den Wänden waren von einer dicken Staubschicht überzogen, die Biedermeiermöbel wirkten reichlich abgenutzt. Das Haus hatte offenbar die besten Tage hinter sich. Lange bevor sich der Konrad-Adenauer-Airport zum zweitgrößten Frachtflughafen der Republik gemausert hatte, dank des fehlenden Nachtflugverbots. An geruhsamen Schlaf war hier, mitten in der Einflugschneise der nur vier Kilometer entfernten Querwindbahn, beim besten Willen nicht zu denken. Hier wohnte schon lange niemand mehr, so viel war sicher. Die Villa stand leer, wenn Eliska nicht gerade ihre nächtlichen Partys veranstaltete.
    »Wo ist das Zeug?«
    Eliska erschien in der linken Tür. Sie trug ein schwarzes, hautenges, streng geschnittenes, bis hinauf zu ihrem schönen, schlanken Hals geschlossenes Abendkleid, dessen Saum fast bis zu ihren Knöcheln reichte. Die Königin der Nacht baute sich vor ihm auf und streckte die Hand aus. Das gute Dutzend goldener Armreife klimperte nervös. Zoran griff in seine Manteltasche und gab ihr, wonach sie verlangte.
    »Der Gastgeber will es prüfen, bevor er kauft. Ich gehe damit mal kurz zu ihm in die Küche. Okay?«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand durch die linke Tür. Zoran sah auf die Uhr.
    Aus der rechten Tür drang kehliges Männerlachen im Chor. Neugier und Langeweile ließen Zoran dem Geräusch folgen. Nach wenigen Schritten blieb er wie angewurzelt im Durchgang zum Salon stehen. Zoran brauchte eine Weile, bis sein Gehirn hinreichend verarbeitet hatte, was seine Augen sahen.
    Die Biedermeiermöbel, die zwangsläufig zu solch einem Haus gehörten und die er deshalb unbewusst erwartet hatte, waren verschwunden, seit wann auch immer. Links und rechts waren entlang der Seitenwände schwarze, zweisitzige Ledersofas aufgereiht, dazwischen standen Tischchen zum Abstellen der Gläser. Die Mitte des Raumes dominierte ein kreisrundes Bett, gut drei Meter im Durchmesser. Die Matratze war mit einem schwarz glänzenden Laken bespannt. Rund um das Bett waren Stehtische postiert, wie bei einem Sektempfang.
    Die Männer, ein Dutzend vielleicht, waren um die sechzig, einige etwas jünger, andere deutlich älter. Manche trugen noch ihre Anzüge, in denselben gedeckten Farben wie ihre Autos vor dem Haus. Andere trugen nur noch ihre Altherrenunterwäsche und ihre schwarzen Socken und dazu eine grenzenlose Selbstgefälligkeit zur Schau. Sie zeigten ungeniert ihre aufgeblähten Bäuche und faltigen Ärsche, ihre behaarten Rücken, ihre untrainierten, käsigen Beine und dürren Ärmchen, als wären sie in der Männerumkleide ihres Tennisclubs ganz unter sich.
    Die Frauen, die sich in der Mitte des Raumes drängten wie eine verängstigte, in die Enge getriebene Schafherde, waren allesamt weit unter dreißig. Sie trugen ohne Ausnahme das Gleiche: mit Nieten besetzte Lederhalsbänder, an deren Karabinerhaken lederne Hundeleinen befestigt waren.
    Sonst trugen sie nichts.
    Seine Augen alarmierten seine Gehirnzellen. Zoran hatte zwar keine

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