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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Küchentisch, damit Artur sie lesen konnte.
    Die nächsten Blätter waren Fotokopien zweier Berichte der Süddeutschen Zeitung. Berichte über den Kriegsverbrecherprozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag im Zusammenhang mit dem im November 1991 verübten Massaker in Vukovar.
    Im September 2007 befanden die Richter den serbischen Oberst Mile Mrksic der Beihilfe zum Mord an mindestens 194 wehrlosen Kroaten für schuldig und verurteilten ihn zu 20 Jahren Gefängnis. Sein damaliger Untergebener Veselin Sljivancanin wurde wegen Beihilfe zur Folter zu fünf Jahren Haft verurteilt. Chefanklägerin Carla Del Ponte hatte zuvor in ihrem Plädoyer ebenso leidenschaftlich wie vergeblich lebenslange Haft gefordert. Der dritte Mann auf der Anklagebank, Miros lav Radic, wurde schließlich von den Richtern freigesprochen. Aus Mangel an Beweisen. Im Zweifel für den Angeklagten.
    Ein früherer Bericht der Süddeutschen Zeitung über den Prozess beschrieb die Aussage eines Zeugen der Verteidigung: Der ehemalige serbische Major Milos Kecman, inzwischen russischer Staatsbürger und wohnhaft in Sankt Petersburg, versicherte unter Eid, die drei Angeklagten seien weder mittelbar noch unmittelbar an dem Massaker in Vukovar beteiligt gewesen, sondern hätten im Gegenteil sogar noch versucht, das Schlimmste zu verhindern und ein Ausweiten der Blutorgie auf weitere Bewohner Vukovars zu unterbinden. Chefanklägerin Carla Del Ponte gab sich im anschließenden Kreuzverhör alle Mühe, den Ex-Major an den Rand der Unglaubwürdigkeit zu drängen.
    Der Name Milos Kecman war rot unterstrichen. Und an den Rand der Fotokopie hatte Zoran mit einem Kugelschreiber notiert:
    Kecman! Zeuge? Wenn Gott gerecht ist: Wieso sitzt der Massenmörder Kecman nicht auf der Anklagebank?
    Jeder einzelne Buchstabe war mit dem Kugelschreiber in das Papier gestanzt, jeder Buchstabe ein stummer Aufschrei der Empörung, der Wut und der Verzweiflung.
    Milos Kecman.
    Artur sprang auf und verließ die Küche. Draußen näherte sich das klägliche Stottern eines überforderten Kleinwagenmotors. Der Keilriemen schleifte schrill. Arturs Kundschaft hatte offenbar keine Scheu, auch sonntags aufzukreuzen. David überflog noch einmal die fotokopierten Zeitungsberichte.
    Nach einigen Minuten kehrte Artur zurück, schaltete den Herd ein und setzte Wasser auf.
    »Artur, sagt dir der Name Milos Kecman was?«
    Artur schwieg, senkte den Kopf und löffelte mit einer Hingabe Kaffee in den Filter, als erfordere diese Tätigkeit seine gesamte Konzentrationsfähigkeit.
    »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, Herr Manthey.«
    David fuhr auf dem Stuhl herum. In der Tür standen Pfarrer Tomislav Bralic und Kristina Gleisberg.
    »Erinnern Sie sich noch an mich, Herr Manthey? Wir haben uns damals bei der Hochzeit Ihres Onkels kennengelernt. Sie waren extra aus Bangkok gekommen, um für Felix und Günther den Trauzeugen zu geben. Meine Güte, wie lange ist das schon her? Und als wir den armen Felix zu Grabe getragen haben, da sind Sie aus Washington gekommen …«
    »Natürlich erinnere ich mich an Sie, Herr Bralic. Setzen Sie sich doch. Artur brüht gerade frischen Kaffee auf.«
    »Tja. Frau Gleisberg hat mich … gebeten mitzukommen. Man wagt es nicht, ihr etwas abzuschlagen, Herr Manthey. Sie wollen also wissen, wer Milos Kecman ist. Die Frage ist rasch zu beantworten: Er ist der Teufel in Menschengestalt. Aber vielleicht sollte ich ganz von vorne anfangen und Ihnen erzählen, was in der Nacht passierte, als Marie starb.«
    Am späten Abend des 16. Januar 1998 wirkte die Kölner Innenstadt wie ausgestorben. Selbst auf dem Hohenzollernring zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz, wo man zu wärmeren Jahreszeiten auch um drei Uhr morgens in einen Stau geraten konnte. An diesem späten Abend des 16. Januar 1998 lagen die Temperaturen zwar bei sechs Grad über dem Gefrierpunkt, aber ein stürmischer Westwind peitschte unablässig den Regen durch die Straßen und vertrieb alles Leben.
    Auf abgefahrenen Sommerreifen schlingerte der schwarze Porsche 911 Targa über den nassen, spiegelnden Asphalt. Zoran wusste, dass er viel zu schnell fuhr, aber er wollte den Job so schnell wie möglich hinter sich bringen und pünktlich um Mitternacht zurück sein, bei Marie, und zusehen, wie sie die Schleife aufzog, die er um das Geburtstagsgeschenk gebunden hatte, wie sie behutsam daran zog, mit ihren schmalen Händen, als hätte er die Schachtel mit Dynamit gefüllt, er wollte die Überraschung in ihrem schönen Gesicht

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