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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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anschließend ungekämmt auf den Weg gemacht. In Wahrheit aber, so mutmaßte Kristina, war an dem Leinen-sakko jede einzelne Knitterfalte sorgsam eingebügelt, und seine Designer-Jeans hatte wahrscheinlich schon beim Kauf ausgesehen, als stammte sie aus der Caritas-Kleiderstube, nachdem der Vorbesitzer sie zehn Jahre lang täglich zur Arbeit als Müllwerker getragen hatte. Dazu passte Friedberts dicke, schwarze Hornbrille, die an die Kassengestelle der sechziger Jahre erinnerte, aber vermutlich weit mehr gekostet hatte, als einem Ford-Arbeiter und seiner Familie in einem ganzen Monat zum Leben blieb.
    Kristina winkte ihm freundlich zu.
    Friedbert übersah das Winken geflissentlich und ließ den Blick zunächst über die restlichen Gäste des Restaurants und der Bar schweifen, nur für den Fall, dass da jemand Bedeutendes sitzen könnte, bei einer Flasche eisgekühltem neuseeländischem Cloudy Bay 2004er Sauvignon Blanc, der es übelnähme, von ihm übersehen worden zu sein. Erst als dies nach gründlicher Prüfung ausgeschlossen werden konnte, schwenkte sein Blick wie zufällig zu Kristina. Seine Mimik hellte sich auf, seine Augen strahlten, als hätte er eine alte Schulfreundin erspäht, sein Mund verzog sich zu einem lausbübischen Grinsen. Federnden Schrittes eilte er nun auf sie zu, schüttelte ausgiebig ihre Hand und ließ sich in den benachbarten Sessel fallen.
    »Uff. War das anstrengend. Schwierige Verhandlungen. Was für ein Tag. Schön, Sie kennenzulernen, Kristina.«
    »Schön, dass Sie so schnell Zeit für mich gefunden haben.«
    Friedbert machte eine wegwerfende Handbewegung und wandte sich dem Kellner zu, der neben ihm wie ein Geist aus dem Nichts aufgetaucht war, kaum dass Friedbert Platz genommen hatte.
    »Pierre, mein Guter. Sie kommen wie gerufen.«
    »Was kann ich für Sie tun? Wie immer?«
    »Wie immer.«
    Pierre brachte einen Pfefferminztee für Friedbert und ein Mineralwasser für Kristina.
    »Maja hat Sie empfohlen. Das ist schon mal gut. Sie haben für Frank Koch gearbeitet. Das ist noch besser. Wissen Sie, ich interessiere mich nicht für Zeugnisse oder akademische Titel oder dergleichen. Bei mir zählt nur die Leistung. Das Ergebnis. Wer gute Arbeit abliefert, der wird ordentlich bezahlt. Klingt das fair und vernünftig in Ihren Ohren?«
    Kristina nickte eifrig und schwieg. Sie hatte sich bereits ihr Bild gemacht: Friedbert gehörte zweifellos zu jenen Männern, die lieber redeten als zuhörten. Wie die meisten Chefs.
    »Wissen Sie, Kristina, in meinem Team brauche ich keine Oberschullehrer oder Weltverbesserer. Ich brauche Leute, die in der Lage sind, Storys abzuliefern, die ans Herz gehen. Unter die Haut. An die Nieren. Verstehen Sie, was ich meine?
    Kristina nickte.
    »Klar.«
    »Kristina, ich brauche Leute, die Vertrauen und Sympathie wecken und mit dem Talent gesegnet sind, Menschen mit anrührenden, dramatischen Schicksalen zu bewegen, zu uns ins Studio zu kommen und vor laufender Kamera von diesem schweren Schicksal zu erzählen. Die Carsten-Cornelsen-Show läuft von montags bis freitags täglich eine Stunde und live im Nachmittagsprogramm. Sie können sich also ausmalen, wie viele dieser vom Schicksal gebeutelten Menschen wir pro Monat benötigen. Ich nehme an, Sie kennen unsere Show?«
    Kristina nickte erneut.
    »Natürlich.«
    »Dann wissen Sie ja, was ich meine. Wir sind nicht vergleichbar mit diesen trashigen Krawall-Talkshows. Wir wollen keine grenzdebilen Paare, die sich zur Gaudi des Publikums anbrüllen. Wir wollen keine tätowierten Hartz-IV-Empfänger, keine Sozialschmarotzer, die ihre Kinder verprügeln oder ihre eigene Schwiegermutter vögeln oder ihrer Ehefrau vorwerfen, sich vom Briefträger bumsen zu lassen. Wir sind kein billiges Perversitätenkabinett für Exhibitionisten und Voyeure. Wir sind keine Freak-Show, die niedere Instinkte befriedigt. Wir bieten echte Lebenshilfe. Das ist Carstens Philosophie und zugleich sein Erfolgsrezept. Carsten will natürlich auch Trost spenden, aber er will vor allem diese verzweifelten Menschen dabei unterstützen, ihr schweres Schicksal anzunehmen, ihre vergrabene Trauer zu verarbeiten und schließlich ihr Problem zu lösen. Hilfe zur Selbsthilfe. Carsten entstammt nämlich einem streng protestantischen Elternhaus … mmmh … Pierre?«
    Friedbert verzog angewidert das Gesicht.
    Pierre eilte herbei.
    »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
    »Der Tee schmeckt grauenhaft.«
    »Oh. Sorry. Wir haben den Lieferanten gewechselt.«
    »Dann

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