Partikel sind in ihrer genetischen Struktur zweifelsfrei identisch mit jenen, die man damals unter Maries Fingernägeln gefunden hat. Du weißt, was das bedeutet, David …«
»Ja. Derselbe Mörder hat die beiden Frauen im Abstand von zwölf Jahren erdrosselt …«
»… und zwar mit dem gleichen Tatwerkzeug.«
»Einer Drahtschlinge. Nur Profis arbeiten mit Drahtschlingen. Effektiv, aber die Handhabung erfordert einige Übung.«
»So ist es, mein Junge.«
David schob die Kopie eines Zeitungsartikels aus Zorans Schreibmappe über den Tisch.
»Was ist das?«
»Die Details kannst du später selbst nachlesen. Der Pressebericht ist zwölf Jahre alt. Am Tag nach Zorans Festnahme fand ein Spaziergänger in der Nähe des Duisburger Rheinhafens die Leiche eines dreizehnjährigen Mädchens. Sie wurde erdrosselt. Ich muss wissen, ob damals genetische Spuren gesichert und archiviert wurden. Wenn ja, wäre es gut, wenn du jemanden findest, der die Spuren mal diskret abgleicht.«
»Du meinst …«
»Sie hieß Irina. Sie wurde aus Moldawien nach Deutsch land verschleppt. Zoran hatte sie in jener Nacht befreit und in Maries Wohnung gebracht. Da wäre sie in Sicherheit gewesen … wenn Eliska nicht Maries Adresse ausgeplaudert hätte.«
Willi Heuser nickte und schluckte und starrte auf das Stück Papier auf dem Tisch. In den vielen Jahren als Polizist hatte er nie zu der Abgebrühtheit gefunden, die andere Kollegen sich wie eine zweite Haut zulegten, um ihre Seele zu schützen.
»David, bevor ich es vergesse … da gibt es noch etwas. Man hat natürlich an beiden Tatorten einige Fingerabdrücke sichergestellt, die nicht zuzuordnen sind. Das ist ja zunächst mal nichts Ungewöhnliches, wie du weißt. Jede normale Wohnung wimmelt nur so von Fingerabdrücken, die sich nicht automatisch in der Datenbank der Polizei wiederfinden … weil ihre Eigentümer unbescholtene Bürger sind, die nur mal zu Besuch waren. Ungewöhnlich ist vielmehr, dass wir identische Fingerabdrücke in beiden Wohnungen gefunden haben …«
»In Maries Wohnung und in Eliskas Wohnung …«
»Genau. Und jetzt pass auf: Die Fingerabdrücke sind identisch mit jenen, die sich auf dem Griff des Tranchiermessers befanden, das in Heinz Waldorfs Bauch steckte. Das heißt …«
»Der Prostituierten-Mörder hat auch Waldorf ermordet. Und Zoran ist auf keinen Fall der Mörder.«
»Und das heißt außerdem …«
»… entweder trug der Mörder am Tatort keine Handschuhe, weil er nicht alle Tassen im Schrank hat … was wir nicht glauben … oder er weiß, dass es juristisch ohnehin nicht mehr darauf ankommt, weil er schon so viele Menschen getötet hat …«
»David, das ist ein abgebrühter Auftragskiller. Ein Söldner. Ist dir so einer schon mal in deinem Leben begegnet?«
»Ja. Zuletzt vor zwei Tagen. Gleich hier um die Ecke.«
Friedbert ließ Kristina eine halbe Stunde warten. Um genau zu sein: 34 Minuten. Aber das hatte nichts weiter zu bedeuten in dieser Branche. Kein Grund zur Beunruhigung. Das sollte nur gleich beim ersten Kennenlernen deutlich demonstrieren, wer ganz oben und wer ganz unten in der Nahrungskette stand.
Friedbert hatte natürlich auch einen Nachnamen. Aber den kannte Kristina nicht. So wenig, wie sich Friedbert jemals für Kristinas Nachnamen interessieren würde. Oder für Majas Nachnamen. Zum Glück. Nachnamen oder Postadressen oder Bankverbindungen zu kennen war was für Finanzbuchhalter und Personalabteilungen, aber doch nichts für die Kreativen im TV-Business. In der großen, kreativen TV-Familie sammelte man Vornamen und Handy-Nummern wie Trophäen und staffierte sich mit einer möglichst kryptischen E-Mail-Adresse aus, um der eigenen Person eine diffuse Form von Bedeutung zu verleihen und zugleich Geschäftigkeit zu signalisieren. Wie wär’s zum Beispiel mit
[email protected]? Garantiert schon vergeben.
Nachnamen hatten nur die Big Player. Wie Frank Koch. Oder wie Carsten Cornelsen. Dr. Carsten F. Cornelsen.
Friedbert war im Produktionsteam der Carsten-Cornelsen-Show für das Reporterteam zuständig und damit Herr über etwa drei Dutzend Existenzen. Dass er sich herabließ, sich so schnell mit Kristina zu treffen, hatte zweifellos mit der Wertschätzung zu tun, die Maja inzwischen in der Firma genoss, aber auch mit dem Umstand, dass Friedberts Sturmtruppe im Kampf um die Quote einer außergewöhnlich hohen Fluktuation unterlag.
Kristina wusste, sie würde sich, sobald Friedbert auftauchte, in Minutenschnelle ein Bild