Bitter Lemon - Thriller
von diesem Menschen machen müssen, um das Spiel zu gewinnen. Ihr war keine Zeit geblieben, sich vorzubereiten. Die verbleibende Zeit war dafür draufgegangen, unterwegs rasch noch ein schlichtes Kostüm, eine Bluse und ein paar Pumps zu kaufen und die Jeans, die Turnschuhe und das Sweatshirt in der Einkaufstasche zu verstauen.
Was verriet der Treffpunkt über Friedbert?
Maja, Süße, dann schlage ich mal der Einfachheit halber das Apropos vor. Ich habe nämlich sowieso ganz in der Nähe zu tun. Ich muss da nur kurz noch was abstimmen mit den Leuten von Encanto …
Encanto war Bettina Böttingers Produktionsfirma in der Mittelstraße, gleich um die Ecke. Trug sich Friedbert etwa mit Abwanderungsabsichten?
Der Einfachheit halber.
So ein Blödsinn.
Kristina traf eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit ein, um sich noch rasch ein Bild vom Schauplatz machen zu können. Das Apropos war ein aufwendig zum luxuriösen Konsumtempel umfunktionierter Hinterhof unweit des Rudolfplatzes, in einer der teuersten Geschäftslagen Kölns. Man bog in der Mittelstraße in einen pinkfarben getünchten Tunnel ab, der sich nach zwanzig Metern zu einem Platz öffnete, eingerahmt von den schmucklosen Rückfronten alter Nachkriegshäuser, deren Erdgeschosse ein neues, krisenunabhängiges Wirtschaftswunder präsentierten. In einem der Schaufenster weckte ein Paar Sandaletten sofort Kristinas Aufmerksamkeit, bis sie nach einigem Suchen die versteckte Preistafel entdeckte: 737 Euro. Gleich ne benan war ein Handy aus Titan, limitierte Auflage, für 7250 Euro zu haben.
Der Einfachheit halber.
Friedberts Welt.
Das Handy, das Kristina in ihrer Tasche trug, war vermutlich geklaut. Artur hatte es ihr am Morgen gegeben. So genau wollte sie es auch gar nicht wissen.
Das Zentrum des Hinterhofareals, das sich neudeutsch Concept Store nannte, bildete ein künstlich geschaffener Patio, dessen Glasdach den deutschen Sommer um einige Monate verlängerte. Dort ließ sich Kristina auf einem der ausladenden Sofas der Cocktail Lounge nieder und vertrieb sich die Zeit, indem sie die Menschen bestaunte, die in der Lage und möglicherweise auch willens waren, sich ein Handy für 7250 Euro zu kaufen.
Was für ein irrwitziger Plan.
Sie versank von Minute zu Minute tiefer in den dicken Kissen des Sofas. Je mehr sie der Mut verließ.
Wenn dieser Cornelsen ihren Namen erfuhr, war sie geliefert. Sie setzte ihre ganze Hoffnung auf die im Lauf ihres Berufslebens gesammelte Erfahrung, dass die schönen, schillernden Drohnen des deutschen Unterhaltungsfernsehens höchst selten die Arbeitsbienen kannten, die für sie den Honig sammelten. Das galt offenbar auch für Cornelsen. Maja war der beste Beweis für diese Hypothese: Dreimal pro Woche übernahm Zorans Schwester die Studioregie der Show. Die Frau also, deren Bruder vor zwölf Jahren dem damals noch kaum bekannten Talkmaster die Nase gebrochen hatte, entschied heute in einer abgeschiedenen, fensterlosen, schalldichten Kabine, welche der fünf Kameraeinstellungen ein Millionenpublikum zu sehen bekam, welche Bilder geeignet waren, Dr. Carsten F. Cornelsen ins rechte Licht zu rücken und von seiner besten Seite zu zeigen.
Cornelsen hatte also keine Ahnung, wer da so alles auf seiner Gehaltsliste stand. Gehaltsliste war ohnehin das falsche Wort. Denn sowohl Maja als auch sämtliche Mitglieder des Reporterteams der Show waren Freiberufler.
Und Milos Kecman hatte hoffentlich keine Ahnung, dass Zoran von all den wichtigen und schützenswerten, aber ihm völlig unbekannten Gästen der Party in der Villa ausgerechnet diesen Cornelsen wiedererkannte, nur weil Zoran Jahre später im Knast zur richtigen Zeit vor dem Fernseher saß.
Cornelsen war Kecmans Achillesferse. Hofften sie.
Kristina dachte gerade über die profane Frage nach, ob sie sich noch einen zweiten Milchkaffee oder lieber ein Mineralwasser bestellen sollte, als Friedbert aus dem rosa Tunnel trat. Sie erkannte ihn sofort, obwohl sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Dank Majas perfekter Beschreibung.
Friedbert gehörte zu jenen berufsjugendlichen Enddreißigern im Medien-Business, die extrem viel Zeit und Geld darauf verwendeten, sich dermaßen lässig bis nachlässig zu kleiden und zu frisieren, dass alle Welt glauben sollte, sie verschwendeten nicht eine Minute oder einen Euro auf solche unbedeutenden Äußerlichkeiten. Der Mann, der das Apropos betrat, als sei es seine Bühne, sah aus, als hätte er in seinen Klamotten genächtigt und sich
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