Bitter Love
herumstoßen und viel zu fest am Handgelenk packen, sondern richtig schlagen, und das auch noch mit der Faust. Und ich verstand nicht, wie es sein konnte, dass er mir im einen Moment die Faust ins Gesichtrammte und mir im nächsten Moment sagte, wie sehr er mich liebte.
Und vor allem konnte ich nicht verstehen, wieso ich das alles zugelassen hatte.
Gestern Abend auf dem Heimweg hatte ich an Shannins Geschichte über die Nacht gedacht, in der Mom weggegangen war. Bei ihr hatte es geklungen, als wäre Mom die Böse gewesen – als wäre sie ein Mensch, der jemanden, den sie liebte, in der einen Minute schlagen und in der nächsten Minute im Arm halten könnte. So wie Shannin es erzählte, hatte ich den Eindruck, Mom wäre imstande gewesen, Cole und seine Art nachzuvollziehen.
Hieß das, dass ich wie Dad war?
Mir wurde fast schlecht bei diesem Gedanken und ich begann mich zu fragen, ob meine Lüge, ich sei krank, nicht mehr Wahrheit enthielt, als ich dachte.
Tut mir leid, Dad, ich habe gelogen. Ich habe überhaupt keinen Virus. Mir wird nur gerade klar, dass ich die gleiche Krankheit habe wie du. Auch ich werde bis ans Ende meiner Tage wie ein geprügelter kleiner Hund rumlaufen und mich nach einem Menschen verzehren, der verrückter als Gänsemist ist.
Zweimal hatte ich das Telefon schon in der Hand und wollte Georgia anrufen – nicht um sie herunterzumachen, sondern um es ihr zu sagen. Um ihr alles zu erzählen. Um zu verhindern, dass diese Verrücktheit und all die Dinge, mit denen ich lebte, ohne sie zu begreifen, noch tiefer in mein Gehirn krochen.
Hilf mir, Georgia,
würde ich sagen.
Hilf mir da raus.
Aber jedes Mal, wenn ich die Nummer eintippenwollte, musste ich daran denken, wie es wohl wäre, vor allen als Opfer dazustehen. Ich dachte an die Leute, die in der Schule über mich tuscheln würden. An Celias selbstzufriedenes Grinsen. An Bethany und Zack, die mir sagen würden, sie hätten ja versucht, mit mir zu reden. An die Psychologen und Beratungslehrer, die mich drängen würden, mit ihnen darüber zu sprechen, und dazu an all diejenigen, die schockiert den Kopf schütteln würden, weil sie nicht fassen konnten, was da passiert war, denn die Beziehung von Cole und mir hätte doch immer so perfekt gewirkt.
Und, na ja, auch wenn ich total wütend war … ich dachte auch an Cole, ich konnte einfach nicht anders. Ich stellte mir vor, durch was für eine Hölle er dann gehen müsste. Und wie verraten er sich fühlen würde. Er würde mir fehlen. Seine Küsse. Seine romantischen kleinen Geschenke. Dass er mich Emily Dickinson nannte. Die Gitarrenstunden. Die Witze, die nur wir beide verstanden. Die Mauer am Überlaufbecken. All das wäre weg, wenn ich mit Georgia redete, und ich würde ihn furchtbar vermissen.
Ich schrieb eine SMS an Bethany und sagte ihr, ich wäre krank. Sie reagierte nicht darauf. Ich schrieb auch an Zack; er antwortete mit zwei Worten:
Gute Besserung
.
Bei allem, was da gerade lief zwischen Cole und mir, dazu mit Georgia und jetzt auch noch mit meinem Dad, schaffte ich es nicht, auch noch mit diesen beiden irgendwas zu klären.
Gute Besserung
. Unter besten Freunden war das alles andere als herzlich. Das tat weh. Aber es überraschte mich nicht.
Cole rief den ganzen Tag nicht an.
Bevor Celia aus der Schule kam, schob ich die Erbsen zurück ins Kühlfach und riskierte einen zweiten Blick in den Badezimmerspiegel. Die Schwellung war zurückgegangen, aber der Bluterguss war immer noch da. Es würde bestimmt einen weiteren Tag dauern, bis ich es schaffte, das wegzuschminken.
Als Celia den Schlüssel in die Haustür steckte, lag ich schon wieder im Bett, mit der wehen Wange nach unten, und markierte die Kranke. Ein paar Minuten später streckte sie den Kopf zu mir herein.
»Besser?«, fragte sie und biss dabei in einen Müsliriegel.
»Ich musste zweimal kotzen«, stöhnte ich. Ich machte die Augen gleich wieder zu, damit es so wirkte, als hätte ich gerade geschlafen.
»Oje«, sagte sie. »Ich hab deinen Liebsten gesehen heute. Hat nicht gerade froh gewirkt. Wer weiß, vielleicht wird er auch krank.«
»Na, dann weißt du jetzt immerhin, dass er nicht den ganzen Tag hier war«, sagte ich.
Sie kaute nachdenklich auf ihrem Riegel herum, packte den Rest wieder ins Papier und legte ihn auf meine Kommode. Mit verschränkten Armen kam sie zu mir herüber. Dann seufzte sie tief, löste die Arme wieder und ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Du kommst mir irgendwie
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