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Bitter Süsse Tode

Titel: Bitter Süsse Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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konnte, wenn er es wollte. Was sind ein paar Liegestütze im Vergleich dazu?
    Er fing an, um Philip herumzutanzen. Der wandte sich ihm mit ausgebreiteten Armen und ein wenig gebückt zu, als wäre er auf einen Angriff gefasst. Sie begannen einander zu umkreisen. Die Musik wurde leise und war nur noch eine weiche Untermalung des Geschehens auf der Bühne.
    Der Vampir näherte sich Philip. Philip lief, als wollte er von der Bühne fliehen. Der Vampir war plötzlich vor ihm und verstellte ihm den Weg.
    Ich hatte die Bewegung nicht gesehen. Der Vampir war einfach vor dem Mann erschienen. Ich hatte ihn nicht laufen sehen. Die Angst trieb mir mit einem eiskalten Stoß die Luft aus der Brust. Ich hatte die Sinnestäuschung nicht bemerkt, aber sie war geschehen.
    Jean-Claude stand nur zwei Tische entfernt. Er hob eine bleiche Hand zum Gruß. Der Bastard hatte sich in meinen Verstand geschlichen, und ich hatte es nicht bemerkt. Die Leute keuchten erstaunt. Ich schaute wieder auf die Bühne.
    Die beiden knieten; der Vampir hatte Philip einen Arm auf den Rücken gedreht, mit einer Hand griff er in das lange Haar, zog ihm den Kopf in einem schmerzhaften Winkel in den Nacken.
    Philips Augen waren schreckgeweitet. Der Vampir hatte ihn nicht betäubt. Er war nicht betäubt! Er nahm alles wahr und hatte Angst. Guter Gott. Seine Brust hob und senkte sich hektisch.
    Der Vampir sah ins Publikum und fauchte mit gebleckten Fängen, die im Licht blitzten. Sein Fauchen machte aus dem schönen Gesicht einen bestialischen Anblick. Sein Hunger streifte über die Köpfe der Menschen. Sein Verlangen war so heftig, dass sich mein Magen verkrampfte.
    Nein, ich wollte das nicht mit ihm fühlen. Ich grub die Nägel in die Handflächen und konzentrierte mich. Das Gefühl verschwand. Schmerzen helfen. Ich öffnete meine zitternden Finger und fand vier Halbmonde, aus denen langsam das Blut quoll. Der Hunger siegte um mich herum, erfasste einen nach dem anderen, aber nicht mich, nicht mich.
    Ich drückte eine Serviette zwischen meinen Händen und versuchte unauffällig zu wirken.
    Der Vampir zog den Kopf zurück.
    »Nein«, flüsterte ich.
    Der Vampir schlug zu, versenkte die Zähne in das Fleisch. Philip stieß einen schrillen Schrei aus, der durch den Club hallte. Die Musik erstarb. Niemand rührte sich. Man hätte eine Nadel fallen hören können.
    Ein leises Saugen drang durch die Stille. Philip fing an zu stöhnen, hoch oben im Hals, wieder und wieder, kleine hilflose Laute.
    Ich blickte über die Zuschauer. Sie waren bei dem Vampir, fühlten seinen Hunger, sein Verlangen, fühlten ihn satt werden. Vielleicht teilten sie auch Philips Angst, ich wusste es nicht. Ich hatte mich abgesondert und war froh.
    Der Vampir stand auf, ließ Philip auf den Boden fallen, der schlaff und reglos war. Ich stand auf, ohne es zu wollen. Der Mann krümmte den vernarbten Rücken in einem tiefen, erschütternden Atemzug zusammen, als kämpfte er sich von der Schwelle des Todes fort. Und vielleicht war es sogar so.
    Er lebte. Ich setzte mich wieder hin. Mir war weich in den Knien. Schweiß überzog meine Hände und stach in den blutigen Kerben. Er war am Leben, und er genoss es.
    Ich hätte es nicht geglaubt, wenn mir das jemand erzählt hätte. Ich hätte ihn einen Lügner genannt.
    Ein Vampirjunkie. Bei Gott, jetzt konnte mich nichts mehr verblüffen.
    Jean-Claude flüsterte: »Wer will einen Kuss?«
    Einen Herzschlag lang bewegte sich keiner; dann hoben sich hier und da ein paar Hände mit Geldscheinen. Nicht viele, aber einige. Die meisten Leute machten ein verwirrtes Gesicht, als hätten sie schlecht geträumt. Monica hielt ihr Geld in die Höhe.
    Philip lag, wo man ihn fallen gelassen hatte, mit heftig atmender Brust.
    Robert der Vampir kam zu Monica. Sie steckte ihm das Geld in die Hose. Der drückte seinen blutigen Mund auf ihre Lippen. Der Kuss war lang und gründlich, voller forschender Zungen. Sie kosteten voneinander.
    Dann löste er sich von ihr. Die Hände um seinen Hals, versuchte sie ihn zu sich zurückzuziehen, aber er entwand sich. Er kam zu mir. Ich schüttelte den Kopf und zeigte meine leeren Hände. Kein Geld hier, Leute.
    Er griff nach mir, schnell wie eine Schlange. Keine Zeit zu überlegen. Mein Stuhl flog krachend über den Boden. Ich stand außerhalb seiner Reichweite. Kein gewöhnlicher Mensch hätte ihn kommen sehen. Das Spiel war aus, wie man so sagt.
    Im Raum erhob sich ein Raunen, als die Zuschauer zu begreifen versuchten, was geschah.

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