Bittere Delikatessen
die drei Vergewaltiger umzubringen?«, fragte Schranz. Auch Tom musste mit den Schultern zucken.
Der Herr von Pro-Sat, der nach Vondermühle gefragt hatte. Tom hatte die Aussage des Portiers protokolliert. Der Mann sah zu viele Menschen, um sich an einzelne gut zu erinnern. Mittleres Alter, mittlere Größe, schlank, kurze Haare – mit einer so mageren Beschreibung konnte man nicht an die Computer der Kunstabteilung gehen. Selbst wenn sie einen Verdächtigen hätten, würde eine Gegenüberstellung mit dem Portier nichts bringen. Und Tom hatte noch weniger gesehen.
»Sobald Brauning da ist, muss er mit dem Staatsanwalt sprechen«, sagte Ria Pohl. »Entweder wir bekommen einen Haftbefehl, oder wir laden sie zur Vernehmung vor. Wir holen sie gleich morgen früh, bevor sie die Villa verlässt.«
Alle redeten nur noch von der Schauspielerin. Doch Tom hatte nach wie vor ein anderes Bild im Kopf. Es war unscharf und verwackelt, und es gab ihm Rätsel auf.
Der angeblich kranke Benedikt Engel hatte sich aus dem Staub gemacht und die ganze Arbeit ihnen überlassen. Tom ärgerte sich, dass er auf den Kollegen gehört hatte. Er hatte die Verabredung sausen lassen und sich stattdessen an der Vernehmungsaktion beteiligt.
Dabei hätte der Tag so schön werden können. Von einem »geilen Lunch und coolen Drinks« hatte Jeannette ihm vorgeschwärmt. Eine Art Geschäftsessen, bei dem sie ihm vielleicht einen Sicherheitsjob bei den MMD-Studios vermitteln könnte. »Dann können wir uns sehen, ohne dass deine Frau auf dumme Gedanken kommt«, hatte Jeannette gesagt. Tom hoffte, dass eine Chance auf diesen lohnenden Nebenjob nach wie vor bestand.
Ria Pohl verteilte die Aufgaben. Tom dachte an Kripochef Sonntag. Innere Dienste. An der geheimen Front hatte Tom Ermittlungserfolge vorzuweisen, die ihm in der Chefetage Ansehen bringen würden. Sonntag war ein Chef, der Wachsamkeit, logisches Denken und entschlossenes Handeln schätzen und belohnen würde. Anders als in der Kommission Fabian, wo man einen Querdenker wie Tom als kleinen Jungen behandelte.
Fantasielose Idioten. Sie verfolgten nur den einfachsten Erklärungsansatz.
»Und passt auf! Sie hat es gelernt, zu täuschen. Sie ist verschlagen und hinterlistig. Und vor allem: Nora Fabian ist bewaffnet und gewalttätig«, hörte Tom Ria Pohl zum Schluss vortragen.
Sie plante ihn nicht einmal mehr für die weitere Arbeit ein.
Tom war es recht.
In seinem Büro stellte er den Ventilator an, um die Hitze zu lindern, dann das kleine Kofferradio, um das Surren des Ventilators zu übertönen. Er nahm den Bericht über Benedikt Engel aus der Schublade, um ihn noch einmal auf Tippfehler zu überprüfen, bevor er das Werk dem Kripochef übergeben wollte.
Sonntag würde beeindruckt sein. Tom würde bei den Chefs einen Stein im Brett haben, und das völlig ohne Einmischung seines Vaters.
Plötzlich lenkte das Radio ihn ab. Sie brachten ein Liveinterview, und Tom erkannte plötzlich, dass es ihn anging. Er drehte die Lautstärke hoch.
»Woher hatten Sie den Hinweis auf das Kokain?«, fragte ein Reporter aufgeregt.
»Der Tipp kam aus der Szene«, antwortete eine barsche Stimme kurz angebunden. Rottweiler Brauning.
»Und Sie haben die Aktion nur zu zweit gemacht?«
»Ja, wir wollten nicht, dass es sich herumspricht und die Täter gewarnt werden. Außerdem war Eile geboten.«
»Das erinnert an die Festnahme von Barbara Hahn vor drei Tagen. Was ist das für ein Gefühl, so erfolgreich zu sein, Kriminaloberkommissar Engel?«
»Es ist schon toll! Man geht da rein, und da sitzen zehn Leute, jeder mit einem Röhrchen in der Nase und einem Häufchen Schnee vor sich. Wir haben sie mitten in ihrer Koksparty gestört. Wenn dann die Handschellen klick machen, weiß man, dass sich die Arbeit bei der Polizei lohnt.«
»Denken Sie an unsere Kinder, denken Sie an unsere Jugend«, hörte Tom den K1-Chef ins Mikrofon bellen. »Heutzutage macht das Gift nicht einmal vor unseren Schulen halt.«
Der Reporter fragte: »Sie sind eigentlich von der Mordkommission. Was sagen Ihre Kollegen von der Rauschgiftabteilung, wenn Sie denen die großen Fische wegschnappen?«
Brauning antwortete: »Die sind darüber so froh wie alle anderen. Wir arbeiten Hand in Hand. Das K2 wird sich jetzt an die Auswertung machen und früher oder später auch noch die Hintermänner kriegen, davon bin ich überzeugt.«
»Es ist ein Erfolg der gesamten Polizeibehörde. Es kommt nicht darauf an, wer die Verbrecher schnappt,
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