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Bittere Delikatessen

Bittere Delikatessen

Titel: Bittere Delikatessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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war klimatisiert. Gerade richtig für das Hotelpublikum im Anzug oder Kostüm, jedoch zu kühl für Tom, der nur ein kurzes Polohemd trug. Mindestens zehn Grad unter der Außentemperatur, schätzte Tom. Sofort spürte er wieder das Brennen in den Augen. Die Luft war nicht nur kalt, sondern auch trocken.
    Er schritt über einen dicken Teppich, vorbei an Ledersesseln und Kunstobjekten. Er spürte den kritischen Blick des Angestellten hinter dem Tresen. Concierge stand auf dem Schild. Tom zeigte seinen Ausweis.
    »Ach so, Polizei. Sie müssen wissen, dass Herr Vondermühle nicht gestört werden möchte. Es gibt so viele Fans und Journalisten, die zu ihm wollen. Und der Herr von Pro-Sat, der gerade nach ihm fragte, hat uns ausdrücklich angewiesen, in der nächsten Stunde keinen zu ihm hinaufzulassen.«
    »Welcher Herr? Hat er seinen Namen genannt oder sich ausgewiesen?«
    Der Concierge glotzte verständnislos.
    »Wann war das?«
    »Gerade eben. Vor fünf bis zehn Minuten.«
    »Welche Zimmernummer?«
    »Vondermühle?«
    »Mein Gott, ja!«
    »653, sechster Stock, dort drüben sind die Aufzüge.«
    Wieder über dicke Teppiche, vorbei an grauen Anzugträgern mit und ohne Handy. Tom hörte ein Sprachengewirr. Englisch, Japanisch, Russisch. Neben der Bar klimperte ein Pianospieler. Eine Reihe von Uhren zeigte die Zeiten ferner Städte. Ein Wasserfall plätscherte, und daneben flatterte ein Papagei mit gestutzten Flügeln.
    Der Aufzug war sofort da.
    Als sich im sechsten Stock die Tür öffnete, stand Tom vor einer Kreuzung. Drei Hotelflure, in jede Richtung einer. Zimmer 653 – welcher Gang war der richtige? Kleine Schildchen waren an den Wänden, Tom versuchte sich zu orientieren.
    Ein Zimmermädchen kam einen der Gänge entlang und schob einen Wagen, auf dem sich mannshoch Wäsche türmte.
    Plötzlich nahm das Brennen zu und Wasser stand in seinen Augen. Sie taten höllisch weh. Ein Fremdkörper musste unter die Linse geraten sein. Staubkörner, eine Wimper, irgendetwas Blödes. Tom war so gut wie blind.
    Er geriet in Panik. Er musste die Linsen herausnehmen, doch ohne Spiegel hatte er Angst, sie zu verlieren. Er kniete sich hin, damit sie nicht weit kullern konnten, wenn sie danebenfielen. Mit der Linken riss er die Augenlider auseinander. Es dauerte viel zu lange, bis er die erste Linse draußen hatte. Er kramte nach den Behältern, er durfte die Döschen nicht vertauschen.
    Weiter vorn im Flur polterte es laut, das Zimmermädchen schrie auf.
    Tom sah immer noch nichts, wie in dichtem Nebel. Der Schmerz lähmte ihn fast. Endlich tropfte auch die zweite Linse in Toms Hand. Tränen rannen über sein Gesicht, doch er war froh, beide Linsen nicht verloren zu haben. Wasser, dachte Tom. Ich muss mir Wasser in die Augen tun.
    Jemand rannte an ihm vorbei und riss ihn fast um. Tom sah der Gestalt hinterher. Vor seinen kurzsichtigen, gemarterten Augen hatte er das unklare Bild einer schlanken, blonden Frau.
    Plötzlich hatte er eine Erscheinung.
    Die Frau nahm im Laufen ihr langes Haar ab, verwandelte sich in einen kurzhaarigen Mann, der sich umsah und dann durch die Tür neben den Aufzügen verschwand. Am anderen Ende des Gangs fluchte unterdessen das Zimmermädchen auf Polnisch.
    Tom suchte nach seiner Brille. Er hatte davon gehört, dass Luxushotels bisweilen eigenartige Menschen beherbergen. Vielleicht hatten ihm seine Augen auch nur einen Streich gespielt.
    Das Zimmermädchen schrie ein zweites Mal. Diesmal voller Entsetzen.
    Tom wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Hinter ihm öffnete sich der Aufzug, und ein zweiter Mann lief an ihm vorbei. Das Schreien hörte nicht auf. Tom versuchte, sich durch den Tränenschleier hindurch zu orientieren, und tastete sich den Gang entlang.
    »Was ist mit dir los? Plötzlich erblindet?«, sprach ihn eine bekannte Stimme an. Es war Benedikt Engel.
    »Scheißlinsen! Ich brauche Wasser!«
    Der Große führte ihn mit hartem Griff den Gang entlang. »Blöder Idiot! Du hast dir wirklich einen tollen Moment ausgesucht, um Kontaktlinsen auszuprobieren!«
    Sie betraten eins der Zimmer. Tom hörte das Rauschen eines Wasserhahns. Er beugte sich über das Waschbecken und spülte seine Augen aus. Für einen Moment nahm das Brennen noch zu. Tom zwinkerte, dann ließ der Schmerz langsam nach. Die Fremdkörper waren draußen, vielleicht war es auch nur die Reizung durch die Linsen und die trockene Luft gewesen. Er setzte die Brille auf, und die Welt wurde wieder deutlich. Aus dem Spiegel sahen ihm

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