Bittere Mandeln
würde.
»Natürlich nicht«, sagte Richard selbstgefällig. »Solche Dinge werden nur von den richtigen Mitgliedern geplant.«
»Verstehe.« Richard war nicht bereit, mir zu sagen, was er wußte. Das bedeutete, daß ich meinen besten Freund verloren hatte. Offenbar wirkte ich niedergeschlagen, denn Richard nahm meine Hand und drückte sie kurz.
»Ich weiß, daß du mich immer für einen Volltrottel ohne Ehrgeiz und soziales Gewissen gehalten hast«, sagte er. »Das hat sich geändert, seit ich bei Stop Killing Flowers bin. Aber weil du so versessen zu sein scheinst, der Polizei alles zu erzählen, sage ich dir nichts mehr. Jedenfalls nichts, was mit Umweltschutz zu tun hat.«
»Paß auf dich auf.« Ich sah das herzförmige Gesicht mit den ein wenig fettigen blonden Haaren ein letztes Mal an. Mein kleiner Engel war gerade dabei, sich in einen neuen Menschen zu verwandeln. Ich mußte an den Kult denken, der Mitte der neunziger Jahre aus jungen japanischen Studenten Gasbomben werfende Wahnsinnige gemacht hatte. Bei Umweltschützern würde ich mir wenigstens keine Sorgen wegen Gas machen müssen. Das hoffte ich jedenfalls.
23
Ich joggte nach Hause und verbrachte den Rest des Morgens damit, die letzten Antragsformulare für mein Flohmarktdebüt auszufüllen. In Japan ging nichts ohne besondere Genehmigung. Dann rief ich Mr. Ishida in seinem Laden an. Nachdem er sich für meine Blumen bedankt hatte, machte er mir Vorschläge, was ich bei dem Flohmarkt vor dem Schrein anbieten sollte. Da er selbst wegen seiner Augenverletzung nicht fahren konnte, lieh er mir seinen Lieferwagen, um meine Waren zum Schrein zu bringen. Ich fuhr damit nach Hause, parkte illegal und verbrachte die folgenden beiden Stunden damit, den Wagen mit Kisten voller Porzellan zu beladen. Dann brachte ich ihn in eine ungefähr drei Kilometer entfernte Parkgarage, wo man mir viertausend Yen für einen Platz über Nacht abknöpfte.
Als ich wieder zu Hause war, merkte ich, daß ich vergessen hatte, Mr. Ishida das Foto von Takeos Mutter zu zeigen, das Takeo mir schließlich doch noch gegeben und das ich in meiner Wohnung versteckt hatte. Jetzt schob ich es in den Geldgurt, den ich am folgenden Tag auf dem Flohmarkt tragen würde. Mr. Ishida hatte mir versprochen, mich dort zu besuchen.
Mittlerweile war meine Nachmittagspost gekommen, eine Gasrechnung, die mich bedauern ließ, daß ich mein Gasöfchen an kalten Tagen immer noch benutzte, und etwas ausgesprochen Unerwartetes: ein cremefarbener, quadratischer Umschlag mit der Adresse der Kayama-Schule.
Ich öffnete den Umschlag und las die Karte, die auf der einen Seite in Englisch und auf der anderen Seite mit japanischer Kalligraphie beschriftet war.
Der iemoto Masanobu Kayama würde sich freuen, Sie am Sonntag, dem 7. April, bei einem Kirschblütenfest im Garten der Steine begrüßen zu dürfen. Um Antwort wird gebeten bis zum 5. April.
Der 5. April war gestern gewesen. Mrs. Koda hätte während meines Besuchs bei ihr etwas von dem Kirschblütenfest erwähnen können, doch sie hatte es nicht getan. Vielleicht wollte sie nicht, daß ich kam. Ich mußte an das letzte Haiku denken, in dem es um die Betrachtung von Blüten, in festlicher Kleidung über toten Knochen, gegangen war. Hatte der Verfasser damit die Party der Kayamas gemeint?
Da klingelte das Telefon, und zu meiner Überraschung meldete sich Tante Norie.
»Rei -chan, es tut mir leid, daß ich erst jetzt auf deinen Anruf antworte. Wie geht es dir?«
»Sehr gut, danke. Ich muß mich für das entschuldigen, was zwischen uns vorgefallen ist.«
»Keine Ursache«, sagte Norie kurz angebunden. »Ich wollte dir nur alles Gute wünschen und dich fragen, ob du etwas Anständiges anzuziehen hast für das Kirschblütenfest. Es findet im Garten der Steine statt, dem Landhaus der Kayamas.«
»Hast du die Einladung heute bekommen?« fragte ich, weil ich vermutete, daß sie bei ihr ebenfalls mit der Nachmittagspost eingetroffen war. »Findest du es nicht auch merkwürdig, daß die Party schon morgen sein soll?«
»Ja, das ist sehr kurzfristig, aber vielleicht liegt das daran, daß man schwer voraussagen kann, wann die Kirschblüten am schönsten sind. Auf Izu ist das Wetter immer ein bißchen anders als auf dem Festland.«
»Izu ist doch ewig weit weg. Meinst du, das lohnt sich?«
»Jetzt, wo Hiroshi wieder da ist, fährt er uns sicher gerne hin. Glaub mir, du solltest dir das Haus der Kayamas wirklich ansehen.«
»Ich finde, wir sollten
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