Bittere Mandeln
im richtigen Alter, während Sie nicht jünger werden.« Natsumis spöttischer Gesichtsausdruck unter ihrem militärisch anmutenden Hütchen erinnerte mich an den unfreundlichsten Polizeichef, mit dem ich es in Japan zu tun gehabt hatte.
»Ich bin im selben Alter wie Sie und Takeo. Außerdem glaube ich, daß wir auf dem Heiratsmarkt vergleichbare Chancen haben. Und wenn ich Ihnen das auch noch sagen darf: Ich habe es nicht auf Ihren Bruder abgesehen.«
»Wie können Sie es wagen, mich so anzulügen?« Natsumis Stimme wurde lauter.
Sie erwartete also von mir, daß ich mich tief vor ihr verneigte und sie um Verständnis bat. Aber selbst die Höflichkeit gegenüber Gästen hatte ihre Grenzen.
»Takeo ist Ihr Bruder, nicht Ihr Mann«, sagte ich. »Er betrügt Sie nicht, wenn er sich hin und wieder mit einer anderen Frau unterhält. Das bedeutet nicht, daß er Sie deswegen weniger liebt.«
»Was wissen Sie schon von Liebe oder Familie? Sie leben ja nicht einmal bei Ihren Eltern, wahrscheinlich, weil die Sie rausgeworfen haben! Ja, Sie und Ihre Tante, Sie sind aus demselben Holz geschnitzt.« Natsumi saß jetzt kerzengerade auf ihrem Stuhl und sah mich haßerfüllt an.
»Meine Tante wurde nicht von ihrer Familie verstoßen«, sagte ich. »Und es dürfte Sie interessieren, daß Norie und ich keine Blutsverwandten sind. Ihr Mann ist der Bruder meines Vaters.«
»Nur weil sie einen japanischen Vater haben, sind Sie noch lange keine Japanerin. Mein Vater würde Sie nie akzeptieren, was bedeutet, daß Takeo Sie nie heiratet.«
Ich atmete tief durch. »Sie sind die einzige, die die ganze Zeit ans Heiraten denkt. Ich habe wirklich andere Dinge zu tun.«
»Tja, dann konzentrieren Sie sich lieber wieder auf Ihren Beruf. Hören Sie auf mit Ihren dilettantischen Ikebana-Bemühungen. Sie haben recht: Dafür haben Sie tatsächlich keine Begabung! Manche Leute haben das Talent, andere eben nicht. Und Sie würden’s auch nicht lernen, wenn Sie sich jeden Tag damit beschäftigten.«
Während Natsumi mich beschimpfte, lauschte ich mit einem Ohr auf den Lärm, der plötzlich vor meinem Haus herrschte. Ich ging zum Fenster und schob die shoji beiseite, um hinauszuschauen. Dann gesellte ich mich wieder zu Natsumi.
»Sind Sie sicher, daß Sie keinen Tee wollen? Sie haben doch bestimmt einen ganz trockenen Mund.«
»Nein danke, den haben Sie wahrscheinlich vergiftet! Sie wissen ja offensichtlich ganz genau, wie’s geht. Im Mitsutan haben Sie auch eine ganz schöne Show abgezogen. Koda-san und meinen Bruder konnten Sie damit vielleicht hinters Licht führen, aber bei mir wird Ihnen das nicht gelingen!« Natsumi sprang von ihrem Stuhl auf und stieß dabei mit dem Bein gegen die Gasheizung. Sie fluchte, und schon breitete sich ein beißender Geruch im Raum aus.
»Alles in Ordnung? Ich möchte nicht, daß Sie mir hier in Flammen aufgehen«, sagte ich.
»Ich schmelze!« kreischte Natsumi und schüttelte entsetzt ihr kunstlederbekleidetes Bein aus. Ich sah mir die Hose genauer an, konnte aber nirgends Brandmale entdecken, und mußte schließlich lachen.
»Sie sind eben einfach eine ziemlich heiße Nummer, Natsumi-san.«
Da bedachte sie mich mit einem wütenden Blick, stürmte an mir vorbei, quetschte sich in ihre engen Schuhe und schlug die Tür hinter sich zu. Ich trat wieder ans Fenster und konnte hinter der shoji seelenruhig dabei zusehen, wie Mr. Wakas Bruder mit seinem großen Laster begann, den Range Rover abzuschleppen. Natsumi stieß einen Schrei aus, doch Mr. Waka hielt nicht an, und Natsumi stolperte ihm auf ihren hochhackigen Schuhen hinterher, Verwünschungen ausstoßend, die ich aus dem Mund der Erbin eines Blumenimperiums nicht erwartet hätte.
»Mein Bruder hat den Range Rover zu seinem Parkplatz gebracht. Diese unfreundliche kleine Prinzessin wird vierzigtausend Yen zahlen müssen, wenn sie ihn wiederhaben will«, sagte Mr. Waka, als ich eine Stunde später seinen Family Mart betrat.
»Woher wußten Sie, daß ich Besuch von Natsumi Kayama hatte?«
»Sie hat Zigaretten bei mir gekauft und sich nach Ihrer Adresse erkundigt. Sie hatte die Gebäudenummer, kannte sich aber nicht aus.«
»Und dann haben Sie ihr Ihren Bruder mit dem Abschleppwagen auf den Hals gehetzt?«
»Nein, nein. Ich habe sie nur gewarnt und ihr erzählt, daß erst kürzlich ein ganz ähnlicher Wagen in einen Unfall verwickelt war. Ich habe ihr gesagt, daß in Ihrer Straße kein Platz für einen Range Rover ist, aber sie hat mir erklärt, daß
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