Bittere Mandeln
Nicole-Miller-Boutique dekoriert hatte. Die Puppen trugen grüne und orangefarbene Kleider; Natsumi hatte ihnen Sträuße mit dicken gelben Rosen und orange gestreiften Tigerlilien sowie Efeuranken in den Arm gelegt. Die Blumen waren zweifellos importiert.
Eine lange Schlange von Leuten wartete vor der Matisse-Ausstellung in der Nordgalerie. Vor der Südgalerie, in der sich die Kayama-Ausstellung befand, war keine Schlange.
»Wie läuft’s?« fragte ich Miss Okada, die die Eintrittskarten verkaufte.
»Hm, nicht so gut«, seufzte Miss Okada. »Vor dem Kaufhaus findet gerade eine Demonstration statt. Diese Leute waren auch schon vor dem Schulgebäude, aber noch peinlicher ist, daß sie jetzt vor dem Mitsutan auftauchen. Außerdem kostet uns die Sache eine Menge Geld.«
Als ich den offenen Raum betrat, wurde mir klar, warum sie sich Sorgen machte. Das hellerleuchtete Blumenwunderland lag völlig verlassen da. Die Kayama-Schülerinnen in ihren matronenhaften, teuer wirkenden Kostümen oder Kimonos gingen zaghaft zwischen den mit Spotlights angestrahlten Gestecken hin und her. Ich sah mir Mari Kumamoris Keramikgefäße an, die lediglich mit Ranken geschmückt waren, und dann Lila Braithwaites Arrangement mit protzigen weißen Orchideen. Also hatte Lila doch noch Zeit gefunden.
Tante Nories Bambus-Iris-Installation wirkte wie eine anmutige grün-purpurfarbene Welle. Tags zuvor waren die Iris noch geschlossen gewesen, doch unter den warmen Spotlights hatten sie sich geöffnet. Gott sei Dank würde ich nicht viel mehr tun müssen, als eine Blume wieder zurechtzurücken, die etwas schief in einem der Bambusköcher hing.
Da entdeckte ich Lila Braithwaite, die auf ihr Arrangement zuhastete. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm mit einem wie eine Halskrause dekorierten Hermès-Tuch.
Sie blieb stehen, als sie mich sah. »Ach, hallo, Rei. Ich kann nicht lange bleiben – meine Kinder warten mit dem Kindermädchen unten vor der Tür.« Dann senkte sie die Stimme. »Haben Sie schon mit Lieutenant Hata gesprochen?«
»Noch nicht.« Da kam mir ein Gedanke. »Lila, Sie sollten dabei sein, wenn ich mit ihm rede.«
»Das ist völlig unmöglich! Mein Terminkalender ist einfach zu voll.«
»Sie haben Zeit für die Blumenausstellung, aber nicht für die Polizei?«
Lila wurde rot. »Es hat mich gefreut, Sie zu sehen. Ich muß jetzt los.«
»Du kannst jetzt nicht gehen«, sagte Nadine St. Giles, die sich gerade zu uns gesellt hatte. »Er ist hier. Du mußt bei deinem Arrangement bleiben und dir die Beurteilung anhören!«
»Er?« fragten Lila und ich wie aus einem Munde.
»Der iemoto! Mr. Kayama ist persönlich gekommen, und soweit ich weiß, wird er jedes Arrangement einzeln begutachten.«
Tante Norie würde es sicher bedauern, daß sie das verpaßte. Vielleicht war es aber auch besser, daß ich mich an ihrer Stelle eingefunden hatte. Wenn ihm unsere Arbeit nicht gefiele, wäre sie sicher am Boden zerstört.
Nadine, Lila und ich gingen zu den anderen Schülerinnen hinüber, die mucksmäuschenstill an der Tür auf den iemoto warteten. Er betrat soeben die Galerie zusammen mit Natsumi.
Masanobu Kayama wirkte wie ein Künstler mit seinen langen silbergrauen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren und dem Halstuch im Ausschnitt seines cremefarbenen Seidenhemds. Mein Blick wanderte über seine schwarze Cord-Levi’s die langen Beine hinunter bis zu seiner extravaganten Fußbekleidung, japanischen offenen Sandalen, die man mit weißen Baumwollsocken, tabi, trägt.
Der Mann war ein wandelnder kultureller Widerspruch. Ich hätte ihn mir gern noch länger angesehen, aber die Schülerinnen hatten mittlerweile zu einer tiefen Verbeugung angesetzt, und so folgte ich lieber ihrem Beispiel.
Der Leiter der Schule revanchierte sich mit einer Verbeugung, die allerdings gemäß seinem Stand nicht ganz so tief ausfiel. Danach ließ er den Blick über die Gruppe schweifen, bis er Lila, Nadine und mich entdeckte. Er lächelte uns mit einer Zärtlichkeit und Güte an, die mir gänzlich fehl am Platz schienen. Ich war zu überrascht, um zurückzulächeln, doch Lila und Nadine strahlten. Sie hatten den Segen des Meisters empfangen.
»Meine lieben Schülerinnen. Ich verneige mich in Demut vor dem, was Sie für mich getan haben.« Masanobu Kayama sprach mit sanfter Stimme, ohne die geringste Spur von Arroganz.
»Nein, im Gegenteil, wir haben vollkommen unzureichende Arbeit geleistet. Bitte verzeihen Sie uns«, antwortete Mrs. Koda im Namen der
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