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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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zusammengewürfelten alten Imari-Tellern, sondern verwendete die blaßgrünen mit dem Muster aus zartrosafarbenen Kirschblüten, die Tante Norie mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte.
    »Bei uns in Kyoto dauert die Kirschblütensaison schon zwei Wochen«, erzählte Mr. Noe mir. »Schade, daß die schönste Stadt Japans nicht mehr so viele Gäste anzieht. Hier feiern die Kirschblütenfreunde ihre Feste sicher unter den Bäumen im Ueno Park.«
    »Blühen die Kirschbäume denn schon?« Ich war so in die Probleme der Kayama-Schule vertieft gewesen, daß ich gar nicht darauf geachtet hatte.
    »Selbstverständlich! Aber Ihre shoji sind ja auch geschlossen«, sagte er und deutete auf die Papierjalousien an meinem Fenster. »Wie wollen Sie denn so die Natur genießen?«
    Am Morgen war ich die Treppe hinuntergegangen, um ein bißchen zu joggen, doch beim Anblick des Übertragungswagens von Fuji TV vor meiner Tür hatte ich es mir anders überlegt. Er war den ganzen Vormittag dort stehen geblieben, und ich hatte weder die Jalousien geöffnet noch helles Licht gemacht. Vielleicht befand sich der Wagen ja dort, um über Kirschblütenfeste zu berichten, vielleicht aber auch, um Bilder von mir zu senden.
    Als ich nun vorsichtig die shoji beiseite schob, um auf die baumbestandene Straße durch den Yanaka-Friedhof hinunterzublicken, sah ich, daß die Kirschbäume alle in rosafarbener Blüte standen und der Aufnahmewagen verschwunden war. Sobald Mr. Noe sich verabschiedet hätte, würde ich ungehindert zum Mitsutan-Kaufhaus fahren können, um einen Blick auf unser Bambus-Iris-Arrangement zu werfen. Ich hatte Tante Norie gesagt, sie brauche nicht extra von Yokohama hereinzufahren, um Wasser nachzufüllen. Es war wahrscheinlich besser für sie, wenn sie nicht noch einmal mit den abweisenden anderen Ikebana-Schülerinnen konfrontiert sein würde.
    Mr. Noe gab mir einen dicken Umschlag mit Geld, das ich auf dem Weg zum Mitsutan sofort beim Automaten meiner Bank einzahlte. Es war Samstagnachmittag, also schulfrei, und auf den Straßen wimmelte es von einkaufenden Familien. Besonders dicht drängten sich die Menschen vor dem Mitsutan. Als ich näher kam, entdeckte ich die inzwischen schon vertraute bestickte Jeansjacke. Wieder einmal führte Che Fujisawa eine Demonstration der Stop-Killing-Flowers-Gruppe an.
    EINE GELBE ROSE BRINGT MENSCHEN ALLER HAUTFARBEN DEN TOD stand auf einem Schild. Der Spruch bezog sich auf das offizielle Emblem des Mitsutan-Kaufhauses, die gelbe Rose. DIE BLUMEN, DIE SIE SO SEHR BE-WUNDERN, VERGIFTEN IHRE KINDER hieß es auf einem anderen Schild. Die letzte Botschaft lautete: WANN WIRD DER TOD ZUM GESCHÄFT? Die in japanischer, spanischer und englischer Sprache beschrifteten Schilder bewegten sich auf und ab, als der Kreis der jungen japanischen und latino-japanischen Demonstranten sich enger um den Eingang zum Kaufhaus schloß. Ein paar uniformierte Wachmänner versuchten, sie mit Blicken einzuschüchtern, mehr konnten sie offenbar nicht tun. Kunden, die ins Kaufhaus wollten, schoben sich einfach am Haupteingang vorbei und betraten es durch die Seitentüren. Die Protestaktion war für alle deutlich sichtbar, hinderte die Leute aber nicht am Einkaufen.
    Che trug kein Schild; er war zu beschäftigt, Handzettel auszuteilen. Als ich an ihn herantrat, erkannte er mich nicht, vielleicht, weil ich eine Sonnenbrille trug und kein Kleid, sondern Jeans. Möglicherweise hielt er mich für eine potentielle Sympathisantin, denn er murmelte mir zu: »Schwester, hilf uns bei unserem Kampf gegen die tödlichen Blumenfelder. Boykottiere die Ausstellung der Kayama-Killer!«
    Ich nahm den Handzettel, den er mir hinstreckte, und schlüpfte in das Kaufhaus, dessen Geschäft durch die Proteste draußen nicht beeinträchtigt zu werden schien. Das Mitsutan war voller Hausfrauen mit großen Einkaufstüten, auf denen sich eben jene gelbe Rose befand, gegen das die Stop-Killing-Flowers-Gruppe protestierte. Dazu kamen Teenager aus wohlhabenden Familien, von deren Schultern Prada-Taschen hingen, und kleine Kinder mit Sanrio-Rucksäcken. Alle hatten irgendeine Tasche, die von ihrem Status zeugte. Nur ich hatte lediglich eine schmale Brieftasche in meiner Jeans stecken, weil mich der Fast-Verlust meiner Tasche am Abend zuvor vorsichtig gemacht hatte.
    Ich fuhr mit der Rolltreppe hinauf zum Galeriegeschoß und zu der Abteilung mit den Jung-Designern, um nachzusehen, wie Natsumi Kayama die Schaufensterpuppen in der

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