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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Kumamoris herrliches Gefäß in ein paar große Scherben. Ich zuckte genauso zusammen wie ein paar Frauen neben mir. Mari erstarrte.
    »Wenn wir ein paar Scherben in dieses statische Arrangement integrieren, wird es dynamischer«, sagte Kayama und schob dabei die Scherben in den Vordergrund des Arrangements. Dann legte er ein paar Ranken darüber.
    Die Frauen begannen bewundernd zu murmeln, doch sie schwiegen sofort wieder, als der Schulleiter klar machte, daß er noch nicht fertig war. Er fragte Mari: »Sind diese Gefäße wasserdicht?«
    Sie nickte.
    »Gut«, sagte er. »Mrs. Koda, könnten Sie mir ein paar Rosen bringen?«
    Mrs. Koda trippelte zum anderen Teil der Galerie und verschwand hinter einem ungebleichten Leinenvorhang. Als sie wieder hervorkam, hatte sie einen Strauß weißer Rosen in der Hand.
    »Die sind genau das richtige«, sagte Mr. Kayama und nahm ihr die Rosen ab. Natsumi reichte ihm eine Ikebana-Schere, mit der er die Stiele abschnitt. Meine Tante hatte mir beigebracht, daß man Blumen unter Wasser abschneiden mußte, aber offensichtlich hatte der Schulleiter seine eigenen Regeln.
    Masanobu Kayama ließ die Rosen in die Öffnung eines der Gefäße gleiten. Zuvor hatte die Keramik mit den darum gewundenen Ranken ruhig und unprätentiös gewirkt. Jetzt bildeten die üppigen weißen Rosen einen bizarren Kontrast zu ihrem Behälter. Und die Scherben davor schrien für meinen Geschmack danach, schnellstmöglich weggefegt zu werden.
    »Was hält Mrs. Braithwaite, die Vorsitzende der Vereinigung unserer ausländischen Studenten, jetzt von diesem Arrangement?« fragte Mr. Kayama auf englisch. Das überraschte mich – und offenbar auch Lila, wenn ich ihr kurzes Zusammenzucken richtig beurteilte.
    »Oh!« rief Lila aus, dann huschte ihr Blick von den Blumen zu Maris gesenktem Kopf und anschließend zum iemoto. »Mir fällt der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß auf. Zwischen Klarheit und Illusion.«
    »Genau.« Der Schulleiter sah Lila eine ganze Weile an. »Nun, wenden wir uns dem nächsten Arrangement zu.«
    Mari Kumamori wirkte so niedergeschlagen, daß ich am liebsten bei ihr geblieben wäre und ihr tröstend den Arm um die Schulter gelegt hätte, aber jetzt trat Mr. Kayama vor den Bambuszaun von Tante Norie und mir. Ich mußte für sein Urteil bereit sein.
    »Nun!« rief Masanobu Kayama unter herzhaftem Gelächter. Natsumi kicherte ebenfalls ein wenig, aber ihrem Gesicht war anzusehen, daß sie nicht wußte, was los war.
    »Wir haben einen Bambuszaun auf unserem Anwesen auf dem Land«, erklärte der iemoto. »Als meine Kinder noch klein waren, haben sie ihn einmal mit Blumen aus dem Garten geschmückt.«
    »Sie waren ziemlich unartig und haben genau an dem Tag, an dem die Leute von der französischen Botschaft zu Besuch kamen, sämtliche Iris im Garten geköpft«, sagte Mrs. Koda mit einem Lächeln. »Ich erinnere mich noch ganz genau. Sakura hat sie deswegen früher ins Bett geschickt.«
    »Sie hat uns immer früh ins Bett geschickt«, sagte Natsumi zu meiner Überraschung.
    Es herrschte betretenes Schweigen, bis der iemoto sagte: »Dieses Arrangement ist wirklich sehr amüsant. Sie spielen mit dem Konzept von Himmel und Erde, indem Sie die Iris so hoch anbringen. Das gefällt mir.«
    Er wandte sich der nächsten Arbeit zu, doch ich bekam nicht mehr viel davon mit, weil ich versuchte, den Hintersinn dessen zu entschlüsseln, was er gesagt hatte. Gefiel ihm das Arrangement wirklich, oder erklärte er mir damit, daß es unbeholfen wie das eines Kindes war? Natsumi hatte sich unser Gesteck bereits tags zuvor angesehen und nichts davon gesagt, daß es sie an ihre Kindheit erinnerte. Aber vielleicht war diese Erinnerung auch der Grund gewesen, warum sie sich mit meiner Tante angelegt hatte.
    Seit Masanobu Kayama mit der Beurteilung der Werke begonnen hatte, stießen immer mehr Schaulustige zu uns, die nicht zur Schule gehörten. Einer von ihnen hob die Kamera und fing an, die Arrangements zu fotografieren.
    »Endlich kommen ein paar Leute!« sagte Mrs. Koda. Sie war überraschend zu mir getreten, nachdem der Schulleiter weitergegangen war. »Hätten Sie Lust, eine Tasse Tee mit mir zu trinken? Ich glaube nicht, daß der iemoto mich braucht.«
    »Ja, gern«, sagte ich und begleitete Mrs. Koda mit langsamen Schritten zur Getränketheke und den beiden Tischen dort, wo ich einen Stuhl für sie zurechtrückte.
    »Wissen Sie, daß unsere Schule den abgepackten Tee und das Gebäck eigens aus Frankreich

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