Bittere Mandeln
in der Natur«, obwohl ich Ikebana-Gefäße aus Seladon auch von alten Holzschnitten kannte. Maris Arbeiten waren eine Neuinterpretation traditioneller Entwürfe.
»Das Seladon ist wunderschön«, sagte ich. »Und Sie haben so viele verschiedene Farbtöne. War das schwierig?«
»In manchen Teilen des Brennofens ist es heißer als in anderen, und das beeinflußt die Farbe. Ich habe für alle Gefäße die gleiche Glasur verwendet.« Sie lächelte nervös.
»Darf ich Ihnen zeigen, was ich mitgebracht habe?« Ich wickelte den Teller aus. Vermutlich würde Mari kein Set mit neun Tellern erwerben, also hatte ich nur einen mitgebracht und den Rest zu Hause gelassen.
»Das sieht nach sometsuke- Porzellan aus. Ein Eßteller von guter Größe. Haben Sie noch mehr davon?«
»Ja, noch acht, alle genau wie dieser. Keiner von ihnen hat einen Stempel auf der Unterseite. Finden Sie, er sieht nach Imari aus?« fragte ich.
»Ja. Das ist definitiv ein Imari-Teller aus der Meiji-Zeit. Ich würde sagen, Sie können einen Teller für ungefähr fünfzehntausend Yen verkaufen. Wenn Sie zehn davon hätten, könnten Sie für das ganze Set mindestens einhundertachtzigtausend Yen verlangen.«
»Woher wissen Sie das alles?« Ich war überrascht, wie schnell Mari den Wert der Teller geschätzt hatte.
»Ich bin in der Nähe von Imari auf der Insel Kyushu aufgewachsen. Die Kumamoris sind schon seit sechs Generationen Töpfer. Allerdings machen wir kein blauweißes Porzellan; wir haben uns auf Seladon spezialisiert.«
»Seladon kommt doch hauptsächlich aus Korea«, sagte ich ein wenig verwirrt.
»Ja, die Koreaner haben diese Tradition mit nach Japan gebracht.« Mari hatte mittlerweile den Karton aufgemacht, den sie zuvor in den Schuppen getragen hatte, und holte einen wurstförmigen Batzen feuchten Ton heraus. Dann stellte sie sich an ihren Arbeitstisch und begann den Ton zu formen, während sie sich weiter mit mir unterhielt. »Die Töpfer wurden aus Korea entführt und in Dörfern auf Kyushu neu angesiedelt, wo sie Töpferwaren für die japanischen Herren machen mußten.«
»Und Ihre Familie hat diese Kunst von den koreanischen Töpfern gelernt?« Ich spürte, daß Mari sich innerlich mit den Koreanern verbunden fühlte.
Mari bearbeitete weiter den Ton und formte ihn zu etwas, das aussah wie eine Chrysantheme. »Wir sind Koreaner. Haben Sie das denn nicht gewußt?«
Das war mir nicht klar gewesen. »Aber Sie haben doch einen japanischen Namen!«
Mari zuckte mit den Achseln. »Ich kann nicht einmal Koreanisch. Meine Verwandten auch nicht. Trotzdem hat man meine Fingerabdrücke genommen, als ich noch ein Kind war. Ich habe keinen normalen Paß. Und ich könnte auch keine Wohnung mieten und kein Haus kaufen, ohne daß ein Japaner für mich bürgt.«
Das waren die gleichen Schwierigkeiten, mit denen auch ich als Ausländerin in Japan zu kämpfen hatte. Doch Mari war in Japan geboren, und so war das Ganze meiner Meinung nach eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
»Wie war Ihr Mädchenname?« fragte ich.
»Nagai. Meine Familie hat, wie die meisten anderen auch, einen japanischen Namen bekommen, und wir haben immer wieder Japaner geheiratet. Aber die Regierung hat immer noch Belege dafür, daß wir eigentlich aus Korea kommen. Ich habe einen Mann kennengelernt, der in unserer Gegend Urlaub gemacht und sich in mich verliebt hat. Wir haben geheiratet, und ich bin nach Tokio gezogen. Seine Familie hat es nicht zugelassen, daß mein Name in ihr Familienbuch aufgenommen wird. Ich nenne mich zwar Kumamori, aber das ist nicht offiziell. Deshalb habe ich auch keine Kinder. Die Eltern meines Mannes hätten nicht erlaubt, daß sie in das japanische Familienbuch meines Mannes eingetragen würden.«
Maris Geschichte von unfreundlichen Schwiegereltern hörte sich ein bißchen an wie die von Tante Norie. Aber weil Norie Japanerin war, hatte ihre Geschichte ein Happy-End. Ich fragte mich, warum meine Tante, die nie etwas gegen Mari gesagt hatte, sich auch nicht mit ihr anfreunden wollte. Hatte sie womöglich Vorurteile?
»Shimura-san, schauen Sie nicht so traurig drein.« Mari schien mein Unbehagen zu spüren, denn sie lächelte mich an. »Ich bin stolz darauf, Japanerin koreanischer Herkunft zu sein. Deshalb mache ich auch diese Seladon-Sachen. Das entspannt mich und bringt mich meiner Familie näher, die so weit weg ist.«
»Sie bringen die Seladon-Gefäße nur selten zum Kurs mit.«
»Ja, ich verwende dort lieber das unauffällige Steingut,
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