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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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Unterhose
bekleidet, auf dem Bett bequem gemacht. Der Fernseher lief mit
kleiner Lautstärke. Er stellte fest, dass um diese Zeit nur
Blödsinn lief, und zappte sich durch die Programme. Er musste
auf andere Gedanken kommen. Das kurze Gespräch mit Markus
Müller ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Woher hatte er
gewusst, dass Born nicht mehr lebte? Müller hatte den Mord an
dem Journalisten auf die leichte Schulter genommen, fast so, als
bedeutete ihm ein Menschenleben nichts. Das war sogar ihm, Dr.
Brechtmann, eine Nummer zu hoch.    
    Er leerte das Bier,
stand schwerfällig auf und machte sich an der Minibar zu
schaffen. Noch ein Bier, noch ein Kreuz auf der Liste. Die Flasche
zischte, als er den Kronkorken abhob. Er nahm einen tiefen Schluck.
Eigentlich trank er sehr selten Alkohol. Aus diesem Grunde zeigte
schon das zweite Bier seine Wirkung. Eine dumpfe Müdigkeit
befiel ihn. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er stierte auf das flackernde
Bild des Fernsehers, sah hindurch und schüttelte den Kopf. Die
Bilder schafften es nicht, sein Gehirn zu erreichen. Der Kopf
dröhnte. Er fühlte sich müde und ausgebrannt.
Selbstzweifel plagten ihn, und Brechtmann überlegte, wie er
aus der entstandenen Situation herauskommen
konnte. 
    Langsam wurde ihm die
Tragweite seiner Kooperation mit MM Pharma bewusst. Man ging
über Leichen, wenn man die Möglichkeit hatte, den Umsatz
des Unternehmens zu steigern. Er selber hatte an seiner
persönlichen Profitmaximierung gearbeitet, also durfte er sich
eigentlich nicht wundern. In der Arzneimittelindustrie herrschte
ein ständiger Wettkampf, wenn es um die Positionierung neuer
Medikamente am Markt ging. Da konnte man sich keine Zeit für
langwierige Studien im Labor nehmen. Der Konzern, der einen neuen
Wirkstoff zuerst auf den Markt brachte, hatte den Vorteil und -
zumindest für kurze Zeit - die Machtposition. Aber dazu
brauchte es Kontakte nach ganz oben, und genau die schien Markus
Müller zu besitzen.
    Er kaufte die
Macht.
    Das nannte man
Marktwirtschaft. Es ging um Millionen, und Brechtmann war nur ein
kleines Zahnrad in einem riesengroßen Uhrwerk. Als Arzt hatte
er Medizin angewandt, die noch nicht im Deutschen Arzneibuch stand,
einem Werk des Bundesinstitutes für Arzneimittel und
Medizinprodukte. Hier wurden neue Arzneimittel aufgelistet - auch
die, die keine Zulassung erhalten hatten. Brechtmann war sich jetzt
darüber im Klaren, dass der Konzern nicht zögern
würde, Mitmenschen, die ihm gefährlich werden konnten,
aus dem Verkehr zu ziehen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Aber
hatte er nicht genauso gehandelt? Hatte er nicht das Leben seiner
Patienten aufs Spiel gesetzt, um für ein üppiges Honorar
die neuen Produkte der MM Pharma in der Praxis zu testen? Reue kam
in ihm auf, während er ruhelos durch das spärlich
beleuchtete Hotelzimmer
wanderte.         
    Am Fenster blieb er
stehen und blickte hinaus in die Nacht. Auf der B416 herrschte so gut wie kein
Verkehr um diese Uhrzeit. Hinter der Straße sah er die Mosel
im Mondlicht glitzern, dahinter Weinberge, die bis an die
Schnellstraße des gegenüberliegenden Moselufers
reichten. Eine traumhaft schöne Landschaft, und Brechtmann
bereute es, nicht mehr Freizeit gehabt zu haben. Das Geld war ihm
immer wichtiger gewesen. Anstatt sein Leben, wenn auch ein wenig
bescheidener, zu genießen, hatte er sich auf das teuflische
Spiel von Markus Müller eingelassen, hatte Menschen
Medikamente verabreicht, deren Wirkung noch gar nicht erforscht
war. Brechtmann lehnte sich mit der Flasche Bier in der Hand weit
vor, bis das Glas der Scheibe seine Stirn berührte und
angenehm kühlte. Er sah das Spiegelbild seines Gesichts im
Fenster und fragte sich, ob er alles im Leben richtig gemacht
hatte. Nein, dachte er, natürlich nicht. Die Ehe mit Karin
hatte er durch den Beruf zerstört. Er hatte immer zuerst an
die Karriere gedacht und dann ans Privatleben.
    Am liebsten wäre
er ausgestiegen, doch so leicht ging das nicht. Seufzend wandte er
sich vom Fenster ab und nahm einen tiefen Schluck aus der
Bierflasche. Er setzte die Wanderung durch das Zimmer fort, blieb
vor dem Fernseher stehen, schüttelte den Kopf und setzte sich
auf die Bettkante. Brechtmann wurde den Verdacht nicht los, dass er
bereits viel zu tief in einer Sache hing, die er nicht mehr steuern
konnte. Er wollte sich nicht ausmalen, was geschah, wenn er jetzt
ausstieg. Natürlich würde er vor Gericht mit etwas
Glück und einem guten Anwalt mit einem blauen

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