Bittere Pille
Auge
davonkommen. Aber er fürchtete die Konsequenzen, die ihm von
Markus Müller drohten. Dieser Mann war so verdammt
mächtig. Er stand an der Spitze eines Pharmakonzerns und
jonglierte täglich mit Millionen. Sicherlich war es ein
Leichtes für jemanden wie Müller, einen Killer zu
engagieren, der lästige Zeugen aus dem Weg räumte.
Brechtmann leerte das Bier und streckte sich auf dem Bett aus.
Minutenlang lag er mit hinter dem Kopf verschränkten Armen da
und starrte an die Zimmerdecke. Dann griff er nach der
Fernbedienung des Fernsehgerätes und schaltete die
Lautstärke ab. Wenige Minuten später war er
eingeschlafen.
*
Ein Geräusch
weckte ihn später. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen
hatte, denn eine Uhr gab es im Hotelzimmer nicht. Sekundenlang war
er orientierungslos. Sein Kopf wirbelte herum, dann erinnerte er
sich, in einem Hotelzimmer an der Mosel eingeschlafen zu
sein.
Brechtmann war sofort
hellwach. Als er die Augen öffnete und den Kopf zur Tür
wandte, sah er eine zierliche Gestalt in dunkler Kleidung, die ins
Zimmer getreten war und die Türe so leise wie möglich ins
Schloss drückte. Die einzige Lichtquelle im Raum war das blaue
Flackerlicht des Fernsehers. Mit gleitenden, fast katzenhaften
Bewegungen näherte sich die Gestalt dem Bett. »Was soll
das?«, rief Brechtmann und hatte Mühe, seine Angst zu
verbergen. Mit einem energischen Ruck stieß er die Bettdecke
fort und richtete sich im Bett auf. »Ich werde die Polizei
rufen!«
»Dazu wird es
nicht kommen.« Die Gestalt flüsterte nur. Zur
Untermalung ihrer Worte zückte sie eine Waffe und richtete die
Mündung auf Brechtmann.
Er sah das
Mündungsfeuer aufblitzen, wunderte sich noch, keinen Schuss zu
hören, als ein brennender Schmerz seinen Körper traf und
er glaubte, von innen heraus zu explodieren. Brechtmann wurde von
der Wucht des Schusses in das verwühlte Laken
zurückgestoßen, fasste sich an die Brust und spürte
etwas Warmen, Klebriges zwischen seinen Fingern - sein eigenes
Blut. Brechtmann sank leblos zusammen. Er würde nie wieder
Experimente an ahnungslosen Patienten durchführen. Und man
würde ihm für die dreckigen Geschäfte, die er
gemacht hatte, nicht die Lizenz als Arzt entziehen. Nicht einmal
zur Rechenschaft ziehen würde man ihn für das, was er
getan hatte.
61
Marienstraße,
2:05 Uhr
Heike schreckte auf,
als sie den Schlüssel in der Tür hörte. Sie war am
Küchentisch eingeschlafen. Der Laptop stand aufgeklappt vor
ihr. Ein schneller Blick auf die große Küchenuhr an der
Wand verriet ihr, dass der neue Tag vor rund zwei Stunden begonnen
hatte. Alle Knochen schmerzten höllisch, als sie sich mit
steifen Bewegungen aufrichtete und die Müdigkeit
abschüttelte. Sie erinnerte sich, dass sie im Internet nach
Arzneimittelskandalen geforscht hatte. Anscheinend gehörte
Korruption in dieser Branche zum Alltagsgeschäft. Auch der
Name MM Pharma war mehrmals in diversen Foren aufgetaucht. Heike
sprang auf, wobei der Küchenstuhl auf dem gefliesten
Küchenboden ein hässliches, scharrendes Geräusch
verursachte, das bei ihr eine Gänsehaut hervorrief. Sofort
dachte sie an die Möglichkeit, dass man ihr nach dem Leben
trachten könnte, weil sie zur Mitwisserin einer Sache geworden
war, die bereits drei Menschen das Leben gekostet hatte. Und eine
junge Frau war entfuhrt worden. Heikes Herz raste, als sie zur
Tür blickte, wo sich gerade ein Schatten aus dem Dunkel des
Flurs schälte. Erleichtert stellte sie fest, dass es sich um
Stefan handelte, der lächelnd die kleine Küche
betrat.
»Morgen«,
sagte er mit einem sanften Lächeln und nahm sie in den Arm.
Bevor sie etwas erwidern konnte, verschloss er ihre Lippen mit
einem Kuss. Erst nachdem sich ihre Lippen voneinander gelöst
hatten, deutete er mit dem Kinn auf das Notebook. »Hast wohl
nie Feierabend?«
»Du doch auch
nicht«, erwiderte sie kokett, ging zum Kühlschrank, nahm
zwei Flaschen Bier heraus und reichte eine davon Stefan. Sie
ließen die Bügelverschlüsse aufschnappen und
prosteten sich zu. »Hey, habe ich dir schon gesagt, dass du
meine Traumfrau bist?«
»Nein.«
Sie trank einen Schluck Bier. »Hast du nicht.« Also
hatte sie doch völlig überzogen reagiert, als er ihr von
Daniela George erzählt hatte, seiner alten Sandkastenliebe.
Sie schalt sich eine Närrin, streckte die Hand aus, nahm ihm
das unvermeidliche Baseballcap, das längst zu
seinem Markenzeichen geworden war, vom Kopf und warf es in die
Ecke. Zärtlich fuhr sie ihm durchs Haar.
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