Bittere Pille
»So so, ich bin
also deine Traumfrau.«
»Ja. Welche Frau
sonst würde mich nach einem langen, beschissenen Tag mitten in
der Nacht mit einem eiskalten Bier in Empfang nehmen?« Er
grinste breit und prostete ihr zu.
»Das ist genau
das, was ich hören wollte«, log sie und buffte ihm in
die Seite. Sie setzten sich an den Küchentisch. »Und
jetzt will ich die ganze Geschichte von deiner Danni hören, du
Schwerenöter.« Kurz wurde sie ernst. »Ist alles
gut verlaufen?«
»Ja, das SEK hat
sie aus den Händen des Entführers befreit. Sie lebt, und
sie ist unverletzt. Wahrscheinlich kümmern sich gerade in
diesem Moment Seelsorger um sie, auch wenn sie das abgelehnt hat.
Ist halt ’ne ganz Harte.« Er schüttelte
lächelnd den Kopf. Dann berichtete er ihr, was sich in der
Zwischenzeit ereignet hatte. »Und das Beste zum Schluss:
Rate, wer der Entführer ist!«
Schulterzucken.
»Ein gewisser
Jan Rüben.«
Heike dachte einen
Moment lang angestrengt nach, woher sie den Namen kannte. Dann
schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
»Moment«, rief sie. »Das ist doch der schmierige
Autoverkäufer aus Klinkes Autohaus.«
»Ganz
genau.« Stefan nahm einen tiefen Schluck Bier und musste
aufstoßen. Er murmelte eine Entschuldigung, bevor er
fortfuhr. »Jetzt frage ich dich, wie kommt Klinkes Auto an
den Tatort auf Schloss Burg, wie kommt Rüben an einen
gestohlenen Golf, und in welchem Zusammenhang steht er mit unserer
Geschichte rund um Peter Born und Brechtmann?«
»Klinke und
Brechtmann sind eben wirklich gute Freunde«, vermutete Heike.
»Und da Brechtmanns Mitarbeiter nicht willens waren, sich um
die anfallende Drecksarbeit zu kümmern, hat Klinke seine Hilfe
angeboten und Rüben rekrutiert.«
»Das würde
bedeuten, dass Rüben ein dreifacher Mörder
ist.«
»Was erst
festgestellt werden muss«, erwiderte Heike und drehte die
bauchige Bierflasche in den Händen. Sie knibbelte am
aufgeweichten Etikett herum und formte daraus kleine
Kügelchen, die sie auf den Küchentisch schnippte.
»Aber es wäre zumindest ein Anfang. Und wenn Ulbricht
diesen Rüben festgenommen hat, wird er bestimmt im Verhör
auspacken. Er ist Autoverkäufer und sicherlich kein
stahlharter Profi. Wenn Ulbricht ihm mit mildernden Umständen
kommt, hat er den Knoten bestimmt bald zerschlagen, und der Fall
ist abgeschlossen. Gut für ihn.«
»Und gut
für uns.« Stefan leerte die Flasche und gähnte.
»Aber mich zieht es jetzt ins Bett. Hinter mir liegt ein
langer Tag. Und bei einem Zugriff durch das SEK des
Landeskriminalamts ist man auch nicht immer live dabei. Das
schlaucht ganz schön.« Er unterlag einem weiteren
Gähnanfall und erhob sich. »Die Frühsendung kann
meine Vertretung machen, ich glaube, Karin Dahl ist
dran.«
»Sie wird sich
bedanken«, lächelte Heike und stand ebenfalls auf. Sie
klappte das Notebook zu und räumte die leeren Flaschen in den
Kasten, der unter dem Küchentisch stand. »Ab ins Bett
mit uns.« Sie trat zu ihm und legte einen Arm um ihn.
»Und es tut mir leid.«
»Was tut dir
leid?«
»Dass ich so
blöd eifersüchtig war vorhin.«
Küchenlicht aus.
Sie tappten durch den dunklen Flur ins Schlafzimmer. Hier brannte
eine Nachttischlampe. Das Bett war bereits aufgeschlagen.
»Ist nicht schlimm«, erwiderte Stefan und entkleidete
sich. Die Socken warf er in eine Ecke und ignorierte Heikes
missbilligende Blicke. »Ich hatte einen Scheißtag
heute, da fällt das gar nicht mehr ins
Gewicht.«
»Manchmal bist
du ein richtiges Arschloch, Stefan Seiler.«
Er hatte sich unter
die leichte Bettdecke verkrochen und streckte sich. »Ich
liebe dich auch, Heike. Komm schon, ich hab kalte
Füße.« Er hatte es mal wieder geschafft, sie
sprachlos zu machen. Heike hatte keine passende Antwort parat,
schlüpfte in eines seiner T-Shirts, die ihr viel zu groß
waren. Heike kletterte zu ihm ins Bett und schmiegte sich an ihn.
»Eigentlich könnte ich wegen deiner Dreistigkeit
Schadensersatz in Form von Liebesdiensten einfordern«,
murmelte sie und kraulte seine Brust.
Die einzige Antwort,
die sie erhielt, war ein monotones Schnarchen. Dem war nichts
hinzuzufügen, dachte sie und knipste das Licht aus. Morgen war
auch noch ein Tag.
62
Winningen, 9:30
Uhr
Sie war spät
dran. Normalerweise räumte sie die Zimmer auf, während
die Gäste frühstückten. Betten beziehen, das Bad
putzen, frische Handtücher auslegen und Klopapier
auffüllen. Eine Sache von zehn Minuten für die
routinierte Reinigungskraft des
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