Bittere Pille
einen
Schluck Kaffee. »Und stell dir vor: Kalla hat mich nach Hause
gebracht.«
»Wer zum Teufel
ist Kalla?« Eine steile Falte hatte sich auf Stefans Stirn
gebildet.
»Der Taxifahrer.
Karl-Heinz von Radio Taxidrive.«
Stefans
Gesichtszüge hellten sich auf. »Ach, der Kalla«,
lachte er. »Und, was gibt es Neues?«
»Seine Sendung
gibt es ja leider nicht mehr, aber Kalla hilft uns bei dem
Fall.«
»Das
heißt, du willst in die Geschichte
einsteigen?«
»Na klar, oder
glaubst du, ich lege die Hände in den Schoß und warte
auf Informationen von Kommissar Ulbricht?« Heike
schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ja jeder. Ich
brauche keine dieser stinklangweiligen Pressekonferenzen, auf denen
uns Einheitsbrei und pressegerecht aufbereitete Informationen
serviert werden.«
»Du bist
unverbesserlich«, stöhnte Stefan.
»Danke, ich
liebe dich auch.«
»Und wie, bitte
schön, soll Kalla uns helfen?« Stefan hatte Kalla auf
einer Sitzung im Sender kennengelernt. Der Mann war Taxifahrer mit
Leib und Seele, als Moderator aber nicht gerade das gewesen, was
den Hörgewohnheiten des Wupperwelle-Publikums entsprach. Er
hatte geredet, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Doch er hatte
immer ehrlich und authentisch gewirkt, eine Eigenschaft, die ihm
die Sympathien der Hörer eingebracht hatte. Und so war es eine
der beliebtesten Bürgerfunksendungen der Wupperwelle
gewesen.
»Stefan«,
rief Heike und rollte mit den blauen Augen. »Denk nach! Der
Tote hat sich mit einem Taxi an den See fahren lassen. Und zwar am
Donnerstagabend, womit wir schon mal die Tatzeit hätten. Und
ich kenne den Namen des Taxifahrers, der ihn dorthin gebracht hat.
Mit Taxifahrern ist es wie mit den Friseuren: Man unterhält
sich. Vielleicht hat der Fahrgast ja erzählt, woher er kam und
was ihn zu diese Zeit an den See trieb. Wir müssen mit dem
Fahrer Kontakt aufnehmen. Vielleicht bekommen wir einen Hinweis,
was er am See wollte. Immerhin ist er lebendig dort angekommen.
Fraglich bleibt also, ob er wusste, worauf er sich einließ,
oder ob er in eine Falle gelockt worden ist.«
»Also ist der
Taxifahrer unser bester Freund.« Stefan grinste
süffisant. »Kalla sei Dank.«
»Du bist ein
aufgeblasener eifersüchtiger Hahn, Stefan Seiler.«
Stefan ging nicht auf den Vorwurf ein. »Und - wie geht es
jetzt weiter?«
»Wir werden uns
diesen Taxifahrer vornehmen, was sonst? Manche Fahrgäste
unterhalten sich mit dem Fahrer. Wenn das hier der Fall war,
hätten wir eine heiße Spur!«
»Und wenn
nicht?«
»Dann sind wir
genauso weit wie Kommissar Verdammt, mit dem Unterschied, dass wir
nichts zu verlieren haben.«
»Wie du
meinst.« Stefan hatte keine Einwände. Er hatte es
sich längst abgewöhnt, Heike
zu sagen, was sie zu tun hatte und was nicht.
10
Unterbarmen, 23:35
Uhr
Er stand lange auf dem
kleinen Balkon seiner Mietwohnung und hing seinen Gedanken nach.
Norbert Ulbricht leerte die Bierdose mit einem letzten Zug und
presste das Weißblech zusammen. Es war ein einsamer Abend, so
wie alle Abende der letzten Jahre einsam gewesen waren. Längst
schon hatte er aufgehört, sich darüber den Kopf zu
zerbrechen. Er war Polizist mit Leib und Seele, hatte seine Ehe mit
dem Job zerstört und lange an dieser Trennung geknabbert. Eine
Frau an seiner Seite wünschte er sich schon ewig nicht mehr,
denn inzwischen war er sicher, dass es die Frau, die zu ihm passte
und die hinter ihm und seinem Job stand, nicht gab. Nicht in
Wuppertal, nicht in Deutschland, nicht auf der ganzen Welt. Also
würde er die letzten Jahre auch noch alleine überleben.
Ulbricht überlegte, was seine Frau ihm wohl erzählt
hätte, wenn er heute, an einem sommerlichen Samstagnachmittag,
einfach zum Tatort gefahren wäre. Vermutlich hätte sie
ihm, wie sie es so oft getan hatte, die Hölle heiß
gemacht.
Jetzt war er niemandem
mehr Rechenschaft schuldig.
Seine Gedanken
kreisten um den seltsamen Toten, den die Kollegen am späten
Nachmittag aus dem Beyenburger See geborgen hatten. Sie hatten
seine Daten mit den Vermisstenmeldungen abgeglichen - vergeblich.
Niemand schien den Toten zu vermissen. Auch die DNA hatten sie
überprüft - möglicherweise hatte es sich bei der
Leiche ja um einen gesuchten Verbrecher gehandelt. Doch auch hier
waren sie nicht fündig geworden, denn der Tote war
erkennungsdienstlich noch nicht erfasst worden. Immerhin hatte er
zu Lebzeiten eine reine Weste gehabt. Aber das hatte ihm nicht
geholfen, als er auf seinen Feind gestoßen war. Ulbricht
hatte
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