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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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und
verbrachte die bisher ruhig verlaufene Schicht mit einem kleinen
portablen Fernseher. Vermutlich war er nur zu faul, seinen Hintern
zum Eingang zu bewegen und ihn einzulassen, dachte er wütend.
»Ich werde mich beschweren!«, drohte der Besucher
nun.
    »Das können
Sie gern tun, aber die Sicherheit und die Diskretion unserer
Gäste sind oberstes Gebot.« Die Stimme des Portiers
klang leicht genervt.
    Vermutlich hatte er
ihn geweckt, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht
nehmen. Sie war nervös geworden. Das musste er verhindern. Und
das würde nicht an einem faulen Nachtportier in einem
Billighotel scheitern. Nein, er würde ganz sicher nicht in den
Knast gehen, weil dieser Kerl ihn nicht zu der Frau lassen wollte.
Er konnte und wollte sich nicht länger hinhalten lassen. Es
musste eine andere Lösung geben, an die Frau heranzukommen.
Irgendwann würde sie das verdammte Hotel schließlich
auch wieder verlassen müssen. Und dann würde er sich an
ihre Fersen heften.

12
    Sonntag Lennep,
8:10 Uhr
    Das Schrillen des
Telefons riss ihn aus den Träumen. Es dauerte einen Moment,
bis er begriff, dass das Klingeln nicht in seinen Traum passte.
Langsam nur fiel die bleierne Müdigkeit von ihm ab. Seine
Knochen schmerzten, und sein Mund war trocken und fühlte sich an
wie ein ausgedörrter Pfirsich. Vielleicht sollte er das
verdammte Saufen endlich bleiben lassen. Er öffnete die Augen
und nahm wahr, dass er mal wieder auf der Couch eingeschlafen war.
Der Fernseher lief - wahrscheinlich schon seit letzter Nacht. Er
war mal wieder völlig betrunken vor der Glotze eingeschlafen.
Kein Wunder. Jennifer hatte ihm den Laufpass gegeben, weil er sich
über ihre Speckrollen lustig gemacht hatte.
    Keine Frau kam
wirklich mit so etwas klar.
    Sie war knapp zehn
Jahre jünger als er, sah verdammt gut aus und hatte sicherlich
keine Probleme, an einen neuen Mann zu kommen. 
    Für ihn sah die
Sache da schon anders aus. Er war dreiundvierzig Jahre alt, hatte
das eine oder andere Pfund zu viel auf den Hüften, arbeitete
zu viel, um seine Schulden aus der Ehe mit Beate zu tilgen, und er
trank zu viel. Die knappe Freizeit verbrachte er entweder in einer
der gemütlichen Kneipen von Lennep oder einfach zu Hause vor
dem Fernseher. Mit der Miete für die Wohnung war er zwei
Monate im Rückstand, und der Vermieter stand fast täglich
auf der Matte, um die Außenstände einzutreiben. Wenn das
so weiterging, würde er bald unter der Müngstener
Brücke schlafen müssen. Oder in der zugigen Passage des
Solinger Bahnhofs. Noch hatte er ein Dach über dem Kopf. Ein
Dach, das er sich eigentlich längst schon nicht mehr leisten
konnte.
    Doch wo nichts war,
konnte auch der Vermieter nichts holen. Bankschulden, die
Leasingrate für das Auto, das seine Frau mitgenommen hatte,
und unzählige offene Rechnungen machten ihm das Leben zu
Hölle. Baumgart arbeitete schon seit Monaten nur, um seine
Schulden bezahlen zu können. Dabei war er unverschuldet in die
Miesen geraten. Seine Frau hatte gekauft, online, im Katalog, und
beim Shoppen mit Freundinnen das Geld mit vollen Händen
ausgegeben. Natürlich, sie hatte auch gut verdient, aber nun
stand er ohne Frau da - dafür mit den Schulden, die sie ihm
hinterlassen hatte. Ein vernünftiges Verhältnis zum Geld
hatte sie nie
entwickelt. Als es mit ihrer Ehe zu Ende ging, hatte sie das Konto
überzogen und ihn so mit in die Schuldenfalle gerissen. Jetzt
war sie weg, und auch die Geliebte hatte ihn versetzt.
    Er war einsam. Das
Leben kotzte ihn an.
    Und das Klingeln des
Telefons nervte ihn gewaltig. Mühsam rappelte sich Jochen
Baumgart in die Höhe. Auf dem Tisch standen eine leere Flasche
Whisky und ein übervoller Aschenbecher. Das Glas hatte
unansehnliche Kränze auf der Tischplatte hinterlassen, die
Luft war stickig, und es roch nach kaltem Rauch. So konnte es
unmöglich mit ihm weitergehen, dachte er.
    Das Telefon steckte in
der Ladestation im Flur. Als er einen Blick auf die Uhr warf,
fragte er sich ernsthaft, wer um diese Uhrzeit etwas von ihm
wollte. Es war Sonntag, so viel stand fest.
    Mit steifen Gliedern
wankte er aus dem kleinen Wohnzimmer hinüber in die Diele des
Fachwerkhauses. Er griff nach dem schnurlosen Telefon und hob
ab.
    »Wir müssen
reden.«
    Eine Frauenstimme.
Kalt, emotionslos. Es dauerte einen Augenblick, bis Baumgart die
passende Antwort parat hatte. »Wer ist da?«
    »Das ist
uninteressant. Wann können wir uns treffen?«
    »Es ist nicht
uninteressant, es ist Sonntagmorgen. Und

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