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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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ich weiß gern, mit
wem ich telefoniere, bevor ich Treffen vereinbare.« Insgeheim
wunderte er sich über seine Schlagfertigkeit. »Also,
bevor wir weiterreden, zwei Fragen: Wer sind Sie, und worum geht
es?«
    »Es geht um
einen Auftrag. Um eine Taxifahrt, die Sie gemacht
haben.«
    »Ich mache viele
Fahrten. Geht das auch genauer?«
    »Sicher. Aber
eines nach dem anderen.«
    »Gut, ich bin
ganz Ohr.« Baumgart schwankte mit dem Telefon am Ohr
zurück in das Wohnzimmer.
    »Sie haben einen
Mann an den Beyenburger Stausee gefahren. Am letzten Donnerstag,
gegen Abend.«
    »Kann
sein.« Baumgart sank auf das verschlissene Ledersofa
und angelte
nach der Fernbedienung, um den Ton des Fernsehers
abzuschalten.
    »Ich bin mir
absolut sicher. Sie fahren doch in Wuppertal Taxi Nummer
232?«
    »Kann sein. Wer
ist da, verdammt noch mal?«
    »Nennen Sie mich
Müller, wenn Sie mögen. Oder von mir aus
Meier.«
    »Gut,
Müller oder Meier. Also, was hat es mit der Fahrt auf
sich?«
    »Davon darf
niemand etwas erfahren. Diese Fahrt hat nie stattgefunden, und ich
bin bereit, Ihnen dafür eine ganze Menge zu bezahlen. Wir
sollten uns darüber unterhalten.«
    »Tun wir das
nicht die ganze Zeit?« Seine Neugier war erwacht. Auf das
Wörtchen »bezahlen« reagierte er seit einiger Zeit
sehr sensibel.
    »Ich verlange
nichts, außer, dass niemand von dieser Fahrt zum See
erfährt.«
    »Das ist
unmöglich, die Zentrale …«
    »Wie
viel?«
    Baumgart glaubte sich
verhört zu haben. »Wie bitte?«
    »Wie viel wollen
Sie?«
    »Wovon reden
Sie, verdammt noch mal?« Seine Geduld war am Ende.
    »Ich will
wissen, welche Summe Sie haben möchten, wenn Sie die Fahrt zum
Beyenburger Stausee letzte Woche einfach, sagen wir,
vergessen.« Jetzt klang ein charmanter Unterton in der Stimme
der Anruferin mit. Baumgart kannte solche Gespräche bislang
nur aus Filmen. Jemand machte ihm ein Angebot. Er hatte seinen Job
getan, sollte diese eine Fahrt einfach aus der Erinnerung streichen
und würde eine Summe kassieren, die ihm einige Sorgen nahm.
Eigentlich ein ziemlich verlockender Gedanke, zumal er jeden Cent
gut gebrauchen konnte.
    Schnell verdientes
Geld.
    Baumgart grinste, was
die Frau am anderen Ende der Leitung nicht sehen konnte. Er beschloss zu
pokern. Zu verlieren hatte er schließlich nichts.
    »Zehntausend.«
    »In
Ordnung.«
    Kein Zögern, kein
Schlucken in Anbetracht der hohen Summe, nichts. Er hatte den Preis
für seine Vergesslichkeit genannt, und er war sofort
akzeptiert worden. So etwas hatte er noch nie erlebt. Mit einem
Schlag würde er seine Schulden los sein. Das klang ziemlich
verlockend. Und er musste keine dreckigen Geschäfte machen.
Diese eine Fahrt konnte er locker vergessen. Niemand würde ihm
böse Absicht unterstellen. Er war schließlich auch nicht
mehr der Jüngste, und die Kollegen wussten um seine Sorgen,
die er im Privatleben hatte. Niemand würde ihm verdenken, wenn
er eine einzige Fahrt einfach aus seinem Gedächtnis
verbannte.             
    »In
Ordnung?« Er lachte kurz auf. Baumgart hatte am Donnerstag,
kurz vor dem Ende der Schicht, tatsächlich einen Fahrgast an
das Ufer des Sees befördert. Wer machte sich die Mühe,
das nachzuprüfen? Hatte der Fahrgast Dreck am Stecken gehabt?
Er versuchte, sich an den Fahrgast zu erinnern. Der Typ war ihm
gleich ein wenig seltsam vorgekommen, und er hatte ihn später,
während der Fahrt, immer wieder über den Innenspiegel
seines Taxis beobachtet. Er war ein ruhiger Mann gewesen; Baumgart
schätzte ihn auf sein Alter. Während der Fahrt, die vom
Wuppertaler Hauptbahnhof bis zum Stausee geführt hatte, hatten
die Männer kaum ein Wort gewechselt. Baumgart hatte vermutet,
dass der Mann eine weite Anreise per Bahn hinter sich hatte. Er
selber hatte ihn aus dem gläsernen Vorbau des Bahnhofs
Döppersberg kommen sehen. Der Mann hatte sich kurz orientiert,
dann war er zielstrebig auf den Taxistand zugesteuert und hatte
sich in seinen Wagen gesetzt. Meist waren es die Fahrgäste,
die ein Gespräch anfingen - wenn ihnen danach zumute war. Der
Mann hatte jedoch Ewigkeiten aus dem Seitenfenster geblickt, fast
so, als würde er Wuppertal zum ersten Mal sehen. Etwas war
eigenartig an diesem Fahrgast gewesen, das musste sich Baumgart nun
eingestehen. Er fragte sich, wen er da zum Stausee gefahren hatte.
Fest stand, dass dieser Fahrgast zehntausend Euro wert war.
Eigentlich war der Mann eher unscheinbar gewesen. Wie ein
Geschäftsmann hatte er jedenfalls nicht auf Baumgart

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