Bittere Pille
Allerdings wollte er Frau Born den Anblick ihres toten
Mannes - wenn es denn wirklich ihr Mann war - ersparen.
»Natürlich.« Ein
fast mechanisches Nicken, sie wühlte in ihrer Handtasche
herum. Im Portemonnaie fand sie ein kleines Foto, wohl aufgenommen
in einem dieser Passbildautomaten, die am Bahnhof standen und
für zu viel Geld grottenschlechte Fotos machten. Monika Born
betrachtete das Bild. Ihre Kinnpartie zitterte leicht, als sie Stefan
das Foto reichte.
Er nahm es an sich und
warf einen Blick darauf.
»Es ist schon
ein paar Jahre alt«, murmelte Monika Born und achtete auf
jede Regung in Stefans Gesicht. Er erkannte den Mann auf dem Bild
sofort wieder. Es bestand kein Zweifel daran, dass es sich bei ihm
um die Leiche aus dem Beyenburger See handelte. Stefan presste die
Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und warf Heike einen Blick
zu. Sie hatte sofort verstanden.
Monika Born rang
nervös mit den Händen. »Er ist es, habe ich
recht?« Die Stimme nur ein Hauch, der Blick unstet. Sie
zitterte am ganzen Leib, und Heike legte einen Arm um sie.
Schluchzend brach die Frau zusammen.
»Es tut uns sehr
leid, Frau Born.« Stefan erhob sich und wanderte ein paar
Schritte auf und ab. Er kickte mit der Schuhspitze einige kleine
Steinchen weg. »Ja, er ist es.« Er trat an die Bank und
ließ sich darauf sinken. »Wir versprechen Ihnen, alles
zu tun, um die Mörder Ihres Mannes zu
fassen.«
»Sie klingen wie
jemand von der Kripo.«
»Nun, wir sind
interessiert daran, dass dieses Verbrechen aufgedeckt wird und die
Mörder ihre gerechte Strafe erhalten.«
»Gerecht?«
Monika Borns Kopf ruckte hoch. Sie musterte Stefan mit
versteinertem Blick. »Gerecht, sagen Sie? Was ist daran
gerecht, dass man meinen Mann aus dem Weg räumt? Er hat seinen
Job gemacht, nicht mehr und nicht weniger. Dafür musste er
jetzt sterben. Ich frage Sie, was daran gerecht sein
soll.«
»Er war ein
Kollege von uns«, versuchte Heike einzulenken. »Das
allein ist Grund genug für uns, die Sache
aufzuklären.« Sie machte eine Pause und wartete ab, bis
Monika Born sich ein wenig beruhigt hatte. »Erzählen Sie
uns jetzt die ganze Geschichte?«
»Es ist eine
lange Geschichte. Peter hat vor fast zwei Jahren mit der Arbeit
daran begonnen und stand nun kurz vor dem Abschluss seiner
Recherchen. Das war die Geschichte seines Lebens, wissen Sie. Er arbeitete wie
besessen, wollte ein Buch über diese Sauerei
schreiben.«
»Was für
eine Sauerei?«, fragte Stefan.
»Es ging um
einen Korruptionsskandal, der bundesweit für Schlagzeilen
gesorgt hätte.« Sie lachte mit einem zynischen
Gesichtsausdruck. »Finanziell hätten wir ausgesorgt, gar
keine Frage. Man hat ihm sogar hohe Summen angeboten, wenn er nicht
auspackt. Aber Peter ließ sich nicht bestechen, nie hat er
das getan.«
»Bitte
erzählen Sie uns mehr.« Heike platzte jetzt fast vor
Neugier. Peter Borns Traum, mit einer einzigen Geschichte den ganz
großen Coup zu landen, war für sie nachvollziehbar, denn
schließlich war sie ebenfalls eine
Vollblutjournalistin.
»Es ging, wie
gesagt, um Medikamente. Vielleicht wissen Sie, dass jedes neue
Medikament, das in Deutschland auf den Markt kommt, eine Zulassung
benötigt. Dieses Zulassungsverfahren ist äußerst
kompliziert und kann, je nachdem, um welches Medikament es sich
handelt, Jahre dauern. Lange Studien und Labortests kosten die
Pharmakonzerne Summen in astronomischer Höhe. Mein Mann hatte
nun herausgefunden, dass viele Pharmakonzerne mit Ärzten
kooperieren. Diese Ärzte stehen auf den Lohnlisten der
Arzneimittelhersteller. Sie beziehen hohe Summen dafür, dass
sie noch nicht zugelassene Medikamente an ihren Patienten
ausprobieren.«
»Aber die
Patienten wissen doch von diesen Testreihen.«
»Eben nicht, das
ist ja der Skandal.«
Das, wenn es stimmen
sollte, war allerdings ein Skandal. »Wie kommt Ihr Mann an
eine derartige Geschichte?«, fragte Heike
staunend.
»Wie gesagt, er
hat fast zwei Jahre daran gearbeitet. Und zwar sehr gründlich,
denn er hat sich mit einer neuen Identität in einen
Pharmakonzern eingeschmuggelt, um es mal salopp auszudrücken.
Man suchte dort neue Mitarbeiter im Vertrieb. So durchlief er eine
kurze Ausbildung und durfte sich danach Pharma Consultant nennen.
Er war fachlich fit und hatte den Auftrag, Ärzte für die
Interessen der Firma zu gewinnen. So reiste er durch das Land und
besuchte die Mediziner, die nach den Angaben des Konzerns für
die Tests neuer Produkte interessant sein
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