Bittere Pille
könnten.
Tatsächlich fand er schon bald genügend Ärzte, die
sich bestechen ließen. Mal ein Abendessen, mal einen
Wochenendurlaub, mal war es die Teilnahme an einem Seminar. Meist
aber war es der schnöde Mammon, das Geld, mit dem sich die
Ärzte ködern ließen.« Sie blickte Heike
unverwandt an. »Es ist eine beschissene Welt, jeder ist
käuflich. In dieser Zeit habe ich Peter selten zu Gesicht
bekommen. Doch er war voller Euphorie und hatte bald schon Zugriff
auf die geheimen Datenbanken der Firma. So kam er an eine
umfangreiche Liste der Mediziner, die für Geld neue
Arzneimittel testeten. Medikamente, die weder zugelassen waren,
noch kannte man die
Nebenwirkungen.«
»Das ist
unglaublich«, murmelte Heike und tauschte einen Blick mit
Stefan.
»Mehrere Hundert
Ärzte stehen deutschlandweit auf der Lohnliste des Konzerns.
Und wir reden hier nicht vom größten Pharmakonzern - es
ist wirklich nur eine Firma von vielen. Peter machte sich also auf
die Reise. Quer durch Deutschland. Er suchte die bestechlichen
Ärzte auf und gab sich als Mitarbeiter eines Pharmakonzerns
aus, der ein neues Mittel, gegen die entsprechende Zahlung eines
Honorars, zu Testzwecken anbieten wollte. Sie glauben ja nicht, wie
viele Mediziner schwach werden, sobald Geld im Spiel ist. Und so
erstellte Peter eine schwarze Liste der Ärzte, die sich
bestechen ließen.«
»Was ist mit den
Nebenwirkungen? Sie sagten, man kannte die Auswirkungen eines neuen
Arzneimittels nicht, als man es an unwissenden Patienten
testete?« Stefan konnte es einfach nicht glauben.
»Peter hat mir
mal erzählt, dass jährlich fast sechzigtausend Patienten an den
Nebenwirkungen der ihnen verabreichten Medikamente sterben. Kein
Wunder, wenn man sich mal überlegt, was da alles im Umlauf
ist.«
»Und jetzt
glauben Sie, er musste sterben, weil er zu viel
wusste?«
»Ich glaube es
nicht nur, ich bin mir ganz sicher. Peter hatte es mit einer
Verschwörung zu tun. Er war vielen Leuten im Gesundheitswesen
zu einer Gefahr geworden, nicht nur zu einer Gefahr für die
Karriere, hier hatten einige Leute mit mehreren Jahren Knast zu
rechnen, wenn Sie mich fragen. Aber ich bin keine Juristin. Jemand
hat die Initiative ergriffen und Peter … aus dem Weg
geräumt.«
Stefan erinnerte sich
an den unglaublichen Contergan-Skandal aus den Sechzigerjahren.
Damals hatte man ein Schlaf- und Beruhigungsmittel an werdende
Mütter verabreicht, die mit morgendlicher
Schwangerschaftsübelkeit zu kämpfen hatten. Durch die
Nebenwirkungen des Medikaments kam es im Verlauf der
Schwangerschaften zu Missbildungen und fehlenden Organen bei den
Neugeborenen. »Das ist keine Schlamperei, das ist
kriminell«, brummte er.
»Sie haben es
erfasst, und Peter war kurz davor, diesen Skandal ans Licht zu
bringen.«
»Was wissen Sie
noch?«, bohrte Heike weiter. Ihre Wangen hatten eine rote
Färbung angenommen.
»Peter hat in
Erfahrung gebracht, dass viele die Gesetze brechen, wenn es darum
geht, neue Medikamente am Markt zu positionieren. Betrug,
Manipulation von Studien und die Bestechung der Ärzte sind nur
die Spitze des Eisbergs.«
»Die
Pharmakonzerne haben große Rechtsabteilungen, leisten sich
bestimmt die besten Anwälte.« Heike schüttelte den
Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die einen
Auftragskiller auf jemanden ansetzen, der ihnen gefährlich
wird.«
»Ich frage Sie,
wer hat meinen Mann dann umgebracht?«
Auf diese Frage hatte
Heike auch keine Antwort. »Wie funktioniert dieses
System?«
»Simpel, viel zu
einfach.« Monika Born lachte verbittert. »Die
Ärzte bekommen regelmäßig Besuch von den Vertretern
der Arzneimittelhersteller. Sie locken mit Probepackungen und
wecken das Interesse der Ärzte. Ganz nebenbei bekommen die
Mediziner einen Fragebogen, den sie ausfüllen - all das dient
natürlich nur der Statistik, so gaukelt man ihnen vor. Dass
dabei auch psychologische Fragen gestellt werden, bemerken die
meisten Ärzte nicht einmal. Sobald ein erster Abschluss in
Frage kommt, werden die Mediziner an das Produkt gebunden.
Bestechung nennt man so was. Und so kommt es, dass der eine oder
andere Arzt schon mal etwas euphorisch beim Patienten für die
Anwendung eines ganz bestimmten Präparates wirbt und es
natürlich dann auch verschreibt. Aber das System, wie Sie es
nennen, hört nicht bei den Allgemeinmedizinern auf. Bei
Fachärzten beispielsweise lassen sich viel höhere Gewinne
erzielen. Und wenn man den Leiter einer Klinik an der Angel
hat…«
Weitere Kostenlose Bücher