Bittere Pille
nickte. »Ich
könnte hier noch ewig stehen.«
»Ist aber auch
schön hier.«
Jetzt lächelte
Heike. »Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft wir hier
früher waren. In meiner Kindheit.« Sie blickte auf die
Uhr. Die Besucher hatten den Schlosshof verlassen, und die
Sesselbahn drehte ihre letzten Runden. Kaum einer der Touristen
wusste, dass Schloss Burg ab 1890 fast komplett restauriert worden
war. Die meisten mittelalterlichen Gebäude, auch der Batterie-
und der Wohnturm, waren Nachbauten und stammten nicht aus dem
Mittelalter. Aber man hatte schon damals so gut gearbeitet, dass
die rekonstruierten Gebäude durchaus als Originale
durchgingen. Die Inhaber der kleinen Geschäfte rund um den
Burghof räumten ihre Auslagen in die Läden. Vom
Holzspielzeug über Kunsthandwerk bis hin zu mehr oder weniger
buntkitschigen Souvenirs gab es alles, was das Herz
begehrte.
»Und du bist
sicher, dass sie herkommt?« Stefan zog die Stirn in
Falten.
»Absolut. Sie
hatte nicht den Mut, zur Polizei zu gehen. Ich glaube, ich kann sie
verstehen, Stefan. Immerhin muss sie ihren Mann identifizieren. Das
wird bestimmt kein leichter Weg für sie.«
»Stimmt.«
Er nickte. »Darum beneide ich sie nicht.«
»Wir kommen
genau rechtzeitig«, bemerkte Heike nach einem Blick auf die
Uhr. Nachdenklich wanderten sie über den Schlossplatz. Das
Bergische Museum hatte seine Pforten bereits gechlossen, und die
Kassiererin war damit beschäftigt, das kleine
Kassenhäuschen im Torbogen zu verschließen. »Ich
kann es kaum erwarten, ihre Geschichte zu hören«,
murmelte Heike schließlich. »Sie hat ganz bestimmt
einen Grund dafür, dass sie sich an uns wendet und nicht an die
Polizei.« Stefan war am oberen Tor der Burg stehen geblieben.
Ein Bus tuckerte schwerfällig in Richtung Wermelskirchen.
»Vielleicht hatte ihr Mann Dreck am Stecken. Ich finde, wir
sollten sehr vorsichtig sein, sonst kann der Schuss nach hinten
losgehen.«
»Irgendwie habe
ich Angst, dass wir da in eine ganz große Sache geraten sind.
Vielleicht ist die Geschichte einfach eine Nummer zu groß
für uns, Stefan.«
»Kriegst du etwa
kalte Füße?«
»Nicht die
Bohne.« Jetzt musste Heike doch lachen. »Lass uns
langsam zum verabredeten Treffpunkt gehen, ich will Frau Born auf
keinen Fall verpassen.«
Seite an Seite gingen
sie zurück zum Schlossplatz. Inzwischen waren auch die letzten
Besucher von der Bildfläche verschwunden, die kleinen
Geschäfte waren geschlossen. Der Platz wirkte jetzt wie
ausgestorben. Heike und Stefan lehnten an einer halbhohen Mauer und
warteten, dass ihre Verabredung auf der Bildfläche erschien.
Nach einigen Minuten des stillen Wartens kam eine zierliche Frau,
Stefan schätzte sie auf Mitte dreißig, auf den
Schlossplatz. Sie trug eine Baumwollhose, ein modisches Top und
bequeme Schuhe. Die Sonnenbrille verhinderte, dass die Reporter
Einzelheiten von ihrem Gesicht erkennen konnten. Die dunklen Haare
hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der nun im Takt ihrer
Schritte wippte. In der Mitte des Platzes blieb sie kurz stehen und
blickte sich suchend um. Dann hatte sie Heike und Stefan entdeckt.
Ihre Miene hellte sich ein wenig auf, und sie näherte sich
zielstrebig.
»Das dürfte
sie sein«, bemerkte Stefan und stieß sich von der Mauer
ab.
Heike folgte ihm.
Während sie auf die Frau zugingen, blickte diese sich immer
wieder gehetzt um. Heike hatte den Eindruck, dass die Frau sich
verfolgt fühlte. »Frau
Born?«
Sie blieb stehen. Ein
Blick über die Schulter, ein Nicken. Jetzt nahm sie ihre Sonnenbrille ab.
Monika Born hatte ein fein geschnittenes Gesicht, hohe
Wangenknochen und rehbraune Augen. Sie war hübsch, das musste
Heike neidlos anerkennen. Doch sie waren nicht hier, um an einem
Model-Casting teilzunehmen. »Ja, die bin ich. Frau
Göbel, Herr Seiler?« Ihr Blick blieb an Stefan haften.
Er nickte ebenfalls und reichte ihr die Hand. »Schön,
dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.« Wieder ein
gehetzter Blick nach hinten, doch der Schlossplatz war
leer.
»Werden Sie
verfolgt?«, fragte Heike.
Schulterzucken.
»Ich glaube, ich muss mit allem rechnen.« Sie
ließ den Blick über das Gelände schweifen.
»Wo können wir ungestört reden?«
Ȇberall
hier, aber wir können uns auch gern in das Café setzen,
das hat noch auf.« Stefan deutete mit dem Kinn hinüber
zu dem kleinen Café neben der Bergstation der Seilbahn. An
den Tischen herrschte kein Betrieb, doch Monika Born
schüttelte den Kopf.
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