Bittere Pille
nie«,
fügte er dann leise hinzu und tätschelte das Blech
liebevoll.
»Im Volkswagen
habe ich meinen Führerschein gemacht, und es war mein erstes
Auto überhaupt. Ich hatte den Volkswagen bis 1973, dann kam
der erste Variant. Wir brauchten Platz im Auto, für die
Kinder, wissen Sie. Aber der gute alte Volkswagen war mir schon
sehr ans Herz gewachsen. Die Käfer sind selten geworden im
Straßenbild. Leider.« Ein langer Seufzer. Die alte Dame
schwelgte in Erinnerungen, das sah Stefan ihr förmlich an. Und
er war sich nicht zu schade, die Sympathie der alten Dame für
seinen Wagen schamlos für sich zu nutzen.
»Möchten
Sie eine Runde mit mir drehen, nur so, um alte Zeiten aufleben zu
lassen?«
»Das würden
Sie für mich tun?« Die Wangen der alten Dame
glühten vor Begeisterung.
»Natürlich.
Es ist mir sogar eine Pflicht. Der alte Käfer gehört
inzwischen zum deutschen Kulturgut.« Er lachte, umrundete den
Wagen und öffnete die Beifahrertür. Stefan machte eine
einladende Geste. »Bitte einzusteigen, gnädige
Dame.«
»Sie sind ein
Charmeur.« Lächelnd trat sie an Clemens heran und
ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten. »Die
Hüften, wissen Sie. Man wird nicht jünger.« Er
drückte die Tür zu, umrundete den Käfer und setzte
sich neben sie.
Die alte Dame
strahlte. »Umso schöner ist es, mit einem solchen Wagen
fahren zu dürfen.«
Als Stefan den Motor
startete, freute sie sich wie ein kleines Mädchen. Der Boxermotor
blubberte zufrieden im Heck. »Dieses Geräusch habe ich
geliebt früher. Heutzutage wäre ein solcher Motor
sicherlich undenkbar. Viel zu laut, aber wir sind ja auch
verwöhnt.« Sie winkte ab. Dann beugte sie sich nach
links und reichte Stefan die Hand. Ȇbrigens, ich bin
Elfriede Winter.«
»Stefan Seiler,
angenehm.« Er legte den Gurt an und fuhr los. Der Weg
führte über die Schubertstraße, vorbei am
Ehrenfriedhof. Die Bäume der Barmer Anlagen bildeten ein
grünes Dach über der Straße. An der
Eisenlohrstraße hielt er sich links. Bald schon ragte der
Toelleturm in den wolkenlosen Abendhimmel. Stefan drehte eine
Ehrenrunde und erreichte schon bald wieder die Wettiner
Straße. Durch das offene Dreiecksfenster drang ein frischer
Fahrtwind in den Innenraum des Käfers, und Elfriede Winter
schien die Fahrt mit dem alten Wagen sichtlich zu genießen.
»Was wollen Sie von Dr. Brechtmann?« Die Frage kam
nicht ganz überraschend.
»Ich möchte
mich mit ihm über einen seiner Patienten unterhalten«,
erwiderte Stefan wahrheitsgemäß. »Ich arbeite als
Reporter beim Radio, bei der Wupperwelle.«
»Ich höre
nur WDR 4, wegen der schönen Musik.«
Etwas anderes hatte
Stefan auch nicht erwartet. Er lächelte nachsichtig, sah im
letzten Moment einen Radarwagen an der Wettiner Straße stehen
und ging vom Gas. Gerade noch mal Glück gehabt, dachte er und
atmete unauffällig auf.
Auf Höhe der
Lönsstraße nickte Elfriede Winter. »Ich vertraue
Ihnen, Herr Seiler. Möglicherweise befindet sich der Herr
Doktor in seinem Ferienhaus.«
Stefan horchte auf.
»Wo liegt das, wenn ich fragen darf?« Er vermutete
Ischgl, St. Tropez oder eine andere Ortschaft, wo sich die Reichen
und Schönen ein Stelldichein gaben. Sein Gehalt als
Klinikleiter war vermutlich enorm - und wenn man seine Einnahmen
aus illegalen Geschäften hinzurechnete, war Brechtmann
sicherlich ein steinreicher Mann. Stefan wäre nicht
verwundert gewesen, wenn er ein Haus in Monte
Carlo besäße.
»In
Wermelskirchen.« Die alte Dame lächelte. »Herr
Brechtmann liebt die Abgeschiedenheit, die das Bergische Land
bietet. Man muss nicht lange fahren, hat die Natur direkt vor der
Haustür. Er wandert sehr gern, müssen Sie wissen. Und der
Weg ist nicht zu weit, um sich dorthin auch einmal unter der Woche
zurückzuziehen. Er braucht das ab und
zu.«
»Hm.«
Stefan nickte. So bodenständig hätte er Brechtmann nach
allem, was er bisher über ihn erfahren hatte, nicht
eingeschätzt. »Und, um Ihre nächste Frage zu
beantworten: Die Adresse lautet Am Stall, ja, lachen Sie ruhig, das
klingt komisch, ich weiß. Aber fragen Sie mich nicht nach der
Hausnummer. Fahren Sie hin und fragen Sie sich durch.« Sie
waren vor Brechtmanns Haus in der Richard-Strauss-Allee angekommen.
Stefan lenkte Clemens an den
Straßenrand.
»Fragen stellen
können Sie ja ganz gut.« Elfriede Winter zwinkerte ihm
verschwörerisch zu. »Es war schön, mit einem jungen
Mann in einem alten Auto auf Tour zu gehen.«
Beifahrertüre auf,
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