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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Abgrund ... So eine Schweinebande! Einer der Männer zog an einem Seil, mit dem man anscheinend die Halterungen für die Baumstämme löste ...
    Frank spürte in sich die kalte Wut hochsteigen und presste die Lippen aufeinander. Dieser gottverfluchte Prediger hatte noch immer nicht genug. Der Anschlag galt ihm, wem sonst! Oder irrte er sich, sah er Gespenster, litt er an Verfolgungswahn? Nein. Das war eindeutig einer der Prediger, der kleinere von beiden, die Kanonenkugel. Er hatte etwas Soldatisches an sich, wie er den anderen zusah – so stand ein Feldwebel beim Appell, die Hände auf dem Rücken, den Kopf vorgestreckt, leicht wippend ...
    Je länger Frank die Männer beobachtete, desto mehr entspannte er sich wieder. Er war im Vorteil, er beobachtete sie und nicht umgekehrt. Wie sich die Dinge doch manchmal ändern, dachte er. Niemand hatte ihn bemerkt, also konnte er die Kamera holen, zurückschleichen und dieses Lumpengesindel in flagranti fotografieren. Die Fotos musste er so schnell wie möglich Rionero von der Mordkommission übergeben, sie mussten genau sein, und dazu musste er näher ran. Er hatte das 200er Objektiv, dafür brauchte er relativ viel Licht, und es war dunkel im Wald. Er konnte einen 400-AS A-Film einlegen, aber wenn er zu weit entfernt war, machte das grobe Korn des lichtempfindlichen Films womöglich die Gesichter unscharf. In der Kamera war ein 100-ASA-Film, zehn Aufnahmen standen ihm noch zur Verfügung. Das ging, einen 200er steckte er vorsichtshalber ein. Es würde klappen, er konnte bei der Aufnahme ruhig liegen, also war eine lange Belichtungszeit möglich. Aber da oben lag anscheinend ziemlich viel trockenes Holz unter den Pinien, das knackte – die Sache war doch nicht ganz so einfach. Doch die Chance war einmalig.
    Die Männer wechselten ständig den Standort, und es blieb Frank nichts anderes übrig, als sie oben im Wald zu umgehen, um näher heranzukommen. Die Gesichter mussten erkennbar sein, sonst nutzte der Aufwand nichts. Jetzt kam es darauf an, hier konnte sich vieles entscheiden, er musste das Risiko eingehen, er hatte es in der Hand ...
    Von Bäumen gedeckt, kroch er näher, erinnerte sich an die Vipern, die es hier gab, beruhigte sich jedoch mit dem Gedanken, dass sie jetzt schliefen, es vorzogen, sich nachmittags in der Sonne aufzuwärmen und erst nachts auf Jagd gingen, wenn sie hungrig waren. Also keine Gefahr. Hoffentlich warnte nicht irgendein Vogel mit seinem Gezeter die Männer. Sorgfältig räumte Frank trockene Äste beiseite, deren Knacken bei der Stille im Wald wahrscheinlich bis ins Tal zu hören war – und wieder musste er die Position wechseln – nein, sie kamen zurück, waren knapp dreißig Meter entfernt und betrachteten ihre tödliche Falle.
    Als Frank auf den Auslöser drückte, tat er es mit großer Befriedigung und einem bösen Lächeln. Als sich dann aber in einer Achtelsekunde der Verschluss der Kamera öffnete, der winzige Spiegel nach oben und zurück schnellte, wäre er am liebsten im Boden versunken. Die Kamera machte höllischen Lärm. Jetzt haben sie mich, dachte er – Madonna –, aber nichts geschah. Die Männer schienen ausschließlich auf ihr Mordwerkzeug konzentriert. Frank fasste Mut, drückte wieder ab, hielt den Atem an und wartete. Er kroch näher, wurde mutiger, da vorn musste er hin, hinter die Ginsterbüsche, wenn man das Bild später richtig vergrößerte, konnte man die Beteiligten hundertprozentig erkennen. Da war der Film zu Ende. Um nicht noch mehr Lärm zu machen, spulte Frank ihn von Hand zurück und legte den neuen ein. Als der Motor ihn weitertransportierte, blieb ihm fast das Herz stehen. Er warf sich über die Kamera, aber sie war noch immer so laut wie ein Bergrutsch.
    Es geschah bei der vierten oder fünften Aufnahme ... Frank war weiter herangekrochen, fast bis auf zwanzig Meter, als der Prediger lauernd den Kopf hob und in seine Richtung blickte. Zuerst machte er nur einen oder zwei Schritte in seine Richtung, dann erklomm er langsam die Böschung, Frank kroch rückwärts und konnte den Abstand halten, bis er an einen jungen Baum stieß, worauf dieser zu schaukeln begann. Der Prediger sah es. Frank sprang auf und rannte bergauf, er hörte die Schritte hinter sich, das Knacken der Äste. Vögel stoben davon, Schreie hinter sich, er hörte einen trockenen Knall, und neben ihm platzte die Borke von einem Baum. Der Lump schoss auf ihn! Hätte Frank eine Waffe gehabt, er hätte zurückgeschossen, ach, illusorisch

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