Bitterer Chianti
Wege zu gehen, nicht mit dem Strom zu schwimmen. Na ja, sie konnte es sich auch leisten. Hier war Geld im Überfluss, antike Möbel, Gobelins, Kristall, und der Mann ein superreicher Industrieller. Und genau das war der Haken.
Er selbst – mit seinen fünf Kameras, der Blitzanlage und ein paar Kanistern voll Entwickler in der kleinen Dunkelkammer ... Den Volvo vom Vater geliehen, immer Streit mit seiner Ex-Frau wegen des Unterhalts. Auf Reisen suchte er die Hotels nach dem Preis aus und nicht danach, ob sie günstig lagen, und das Essen im Restaurant verkniff er sich oft. Mit zusammengebissenen Zähnen hörte er sich sogar den Sermon der Bildredakteurin an. Und jetzt, auf Antonias Loggia, hatte er das Gefühl, sich die wundervolle Aussicht über die sanften Hügeln nur geliehen zu haben. Was sollte eine Frau wie Antonia mit ihm? Was hatte er zu bieten? Eigentlich nur sich selbst, dachte er und nahm den Kopf wieder hoch.
13
Dienstag/Mittwoch, 5/6. Oktober
«Da ist etwas, das ich nicht verstehe», sagte Frank, als sie auf dem Rückweg vom Restaurant an Avvocato Strozzis Kellerei vorbeikamen. Franks Gedanken kreisten trotz Antonias Gegenwart unaufhörlich um dasselbe Thema: «Gestern taucht die Finanzpolizei bei Wanda auf, gleichzeitig werden die drei Kellereien geschlossen, die Malatestas Trauben verarbeiten. Auch du hast welche von ihm – und wieso lassen sie dich in Ruhe?»
Unsicherheit und Misstrauen wurden auch Antonia gegenüber immer stärker. Frank fehlte ein Fixpunkt, eine Konstante, etwas, woran er sich festhalten und orientieren konnte. Im Grunde genommen waren alle, die er in den letzten Tagen kennen gelernt hatte, Fremde für ihn. Jeder war möglicherweise in diese Verbrechen, Morde und Sabotageakte verwickelt: die Winzer selbst, dieser Commissario auf jeden Fall, dann Leute, die er nicht kannte, die Maklerin und Strozzi, sogar zwischen dem jungen Pandolfini und seinem Vater gab es Widersprüche. Das Einzige, worauf er sich verlassen konnte, waren seine Augen. Doch selbst der Augenschein konnte trügen ...
Nur der Schimmer der Instrumentenbeleuchtung vom Armaturenbrett fiel auf Antonias Gesicht. Bei diesem Licht hätte er jede Regung wahrgenommen, jedes Zögern, jede mögliche Abwehr auf die Frage hin, die ihm eben erst in den Sinn gekommen war. Es war ihm fast peinlich gewesen, sie zu stellen, verletzend, Antonia könnte sich angegriffen fühlen. Aber jetzt war es raus, und er wollte es wissen, er brauchte Gewissheit. Antonia, so jedenfalls interpretierte Frank das, was er im Dunkeln erkennen konnte, zeigte ehrliches Erstaunen.
«Es ist richtig, was du sagst, Franco.» Nach einer längeren Pause fuhr sie fort: «Wanda hat mich das auch gefragt, als ich mit ihr telefoniert habe.»
«Und? Was hast du geantwortet?»
«Dass ich es nicht weiß, mehr kann ich dir beim besten Willen auch nicht sagen. Anders als bei ihr will niemand mein Weingut kaufen ...»
«... aber dein Mann will es verkaufen», fuhr Frank dazwischen.
«Wanda verkauft nicht, niemals, sie liebt ihr Land, genau wie ich, wie wir alle hier. Nur über ihre Leiche ... hat sie gesagt.»
Vielleicht hatte Niccolò Palermo ähnlich empfunden, dachte Frank und fragte: «Wie stand Palermo dazu?»
Antonia zuckte die Achseln. «Was weiß ich? So gut kannte ich ihn nicht. Ich glaube schon. Das Land, der Wein, das ist unser Leben, das kann man schlecht verkaufen.»
«Aber seine Seele.»
«Was soll ich dazu sagen? Ja, möglich, aber nur an den Teufel. Glaubst du ...?»
«Ja. Nicht an den mit dem Pferdefuß, aber an das Böse in uns, an die dunkle Seite, Habgier, Neid, Brutalität...»
Es war, als hätte er sich selbst das Stichwort gegeben. Er konnte sich nicht länger zurückhalten und sprudelte los, es platzte förmlich aus ihm heraus, stockend zuerst, er verhaspelte sich, ordnete die Gedanken erst beim Reden, Schlussfolgerungen vermischten sich mit Fakten. Alles kam in einem solchen Schwall, dass es wie eine Flutwelle über Antonia zusammenschlug.
Dann sprach er von seiner Angst seit dem Attentat, dass sie ihn totschlügen, erschossen, seine Sorge um Christine und dass er hier nur aus zwei Gründen weitermachte: weil er das Geld brauchte und sich in sie verliebt hatte.
Es war zu viel für Antonia, sie hielt am Straßenrand, stellte den Motor ab und nahm Franks Gesicht in ihre Hände. «Die Angst ist das Schlimmste, nicht wahr? Ich kenne das.»
Statt einer Antwort sah Frank sich um. Die Nacht war schwarz, nirgends ein Licht, doch, da,
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