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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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ein Scheinwerfer, der näher kam ... Das Auto rauschte vorbei – die Bremslichter leuchteten auf –, und der Wagen verschwand hinter der nächsten Kurve.
    «Kommst du ... kommst du mit zu mir?» Diesmal zitterte Antonias Stimme ein wenig, als fürchte sie die Antwort.
    «Con molto piacere», flüsterte Frank erleichtert. «Du fragst mich genau das, was ich mir gewünscht habe.»
    «Manchmal ist das so im Leben, aber nur ganz selten.» Es klang ein wenig traurig und einsam.
    Antonia ließ den Motor an, und während sie schweigend zum Weingut fuhren, war sie es, die in den Rückspiegel blickte. Vor dem Haus empfahl sie Frank, seinen Wagen weiter oberhalb in einer Remise abzustellen, da würden ihn weder Passanten sehen noch ihre Angestellten. «Wenn la strega dich sieht», mit der Hexe war die Haushälterin gemeint, «dann habe ich die Inquisition auf dem Hals, werde exkommuniziert und gesteinigt.»
    «Gehört dein Mann den katholischen Fundamentalisten an?»
    «Was er besessen hat, gibt er nicht mehr her. Wenn er deinen Wagen findet, zertrümmert er ihn, und du wirst dich mit den besten Anwälten Norditaliens herumschlagen. Sie beweisen dir, dass du in den Graben gefahren bist. Allen Ernstes! Wirklich, die kriegen das hin. Was glaubst du, weshalb ich noch nicht geschieden bin? Ich müsste alles aufgeben, ich könnte höchstens als Kellermeisterin arbeiten, und dann würde er noch meine Arbeitgeber bedrohen ...»
    Reich und Sklave oder arm und frei, fiel Frank dazu ein. Oder hieß es nicht vielmehr arm und Sklave oder reich und frei? «Ein anständiger Beruf, Kellermeister ...»
    «Eben, deshalb habe ich dran gedacht ... also, nun geh -und komm wieder!»
    Obwohl er es für kindisch hielt, tat Frank Antonia den Gefallen. Nach fünf Minuten war er zurück, und sie schlichen wie Siebzehnjährige, deren Eltern nichts hören dürfen, heimlich hinauf in Antonias Schlafzimmer. Es war ein großer Raum, in einem hellen, fast metallischen Grün wie angelaufenes Messing gestrichen. Perserbrücken bedeckten die Terrakottafliesen. Das Bett mit einer weinroten Seidendecke wurde von einem weiten und weichen Moskitonetz eingehüllt. Allein dieses Bett war ein verlockender Anblick.
    Antonia trat ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. Das große Rechteck füllte sich wie ein Aquarium bis zum Rand mit Sternen.
    «Kann man die auch vom Bett aus sehen?», fragte Frank lachend und schlug das Moskitonetz zur Seite. «Hast du einen Wecker? Ich muss um sieben Uhr bei Malatesta sein.»
    «Du brauchst keinen», antwortete Antonia leise und ging zu ihm. «Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich schlafen lasse?»
    Sie drückte ihn auf das Bett, kniete sich neben ihn und begann, vorsichtig sein Hemd aufzuknöpfen. «Mit der Liebe ist es wie mit dem Schwimmen. Auch wenn man lange nicht im Wasser war, man verlernt es nie.»
    Irgendwann waren sie dann doch eingeschlafen, und die Dämmerung weckte sie. Beide waren frühes Aufstehen gewohnt, heute jedoch war es für Frank schlimmer als an einem nasskalten Novembermorgen in Hamburg. Keiner mochte als Erster ins Bad gehen und diese Nacht beenden, die Nähe auflösen, die zwischen ihnen entstanden war. Als sie Arm in Arm zusammenlagen, fühlten sie sich stark, jeder auf seine eigene Weise. Doch bald, und der Moment der Trennung kam unweigerlich auf sie zu, waren sie wieder auf sich allein gestellt, jeder seiner eigenen Angst ausgeliefert: Antonia den Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann, Frank den Predigern, er fürchtete die Polizei und deren schlampige Ermittlungen und obendrein den dubiosen Commissario. Er fürchtete, dass der Anwalt etwas herausfand, was ihn noch tiefer in die Sache verstrickte. Er fürchtete sich vor vielem – nur nicht vor der Frau, die ihn jetzt ansah.
    «Wann kommt er denn, dieser Furcht einflößende Signor Vanzetti? Das hört sich ja an, als sei er der Herrscher der Toskana.»
    «Ich weiß es nicht. Er sagt es nie genau, er lässt alle im Unklaren, damit er sie jederzeit überraschen kann. Man soll mit dem Gefühl leben, die Tür geht auf, und er kommt rein.»
    «Gewalt ist immer der Kern eines jeden Machtverhältnisses.»
    «Geh, bitte, Franco. Kaffee kann ich dir leider nicht anbieten. La strega werkelt in der Küche. Hörst du sie?»
    Zirruswolken zogen auf, was auf starke Höhenwinde schließen ließ. Die Fähigkeit zur Wetterprognose war bei der Arbeit unter freiem Himmel sehr hilfreich. Frank spürte die Veränderung. Das Wetter war nicht mehr so strahlend

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