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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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öffneten ihm die Eingangstür, denn er hatte den Schlüssel an der Rezeption gelassen. Aber dort hing er nicht.
    Verdammt – er hatte doch abgeschlossen, oder nicht? Oben waren die Kameras! Er hastete die Treppe hinauf. Er drückte auf die Klinke, hatte erwartet, dass die Tür verschlossen war, aber sie ging auf, die Nachttischlampe brannte, und auf seinem Bett lag ... Laura.
    Frank erstarrte. «Was ... was soll das denn?», entfuhr es ihm. «Bist du verrückt geworden?»
    Laura kam langsam zu sich, rieb sich die Augen und verschmierte ihren Lidstrich. «Bitte, Franco, ich ... äh, ich wollte auf dich warten ...»
    «Raus! Raus aus meinem Zimmer, auf der Stelle!»
    «Nein. Ich will, dass du mich fotografierst.»
    «So nicht, Laura. Und vor allem nicht jetzt.» Frank merkte, wie er wütend wurde. «Raus! Sofort!», zischte er böse.
    Laura blickte kokett an sich herab, der Rock war nach oben gerutscht, sie zog ihn nicht wieder runter. «Ich bleibe. Du wirst die Aufnahmen von mir machen ... so oder so.» Sie grinste und legte die Hände an ihren Kragen, als wollte sie die Bluse aufreißen: «Ich schreie, ich rufe um Hilfe.»
    Frank schluckte und sah sich um. Die Zimmertür war geschlossen. Ob sie trotzdem jemand hören konnte? Bestimmt. Dieses Flittchen ... Wenn sie tatsächlich schrie ... Wahrscheinlich hatte sie das aus einer ihrer Seifenopern. Jeder würde denken, dass er sie aufs Zimmer geschleppt hatte, er hatte getrunken, eine Katastrophe. Er musste hier weg, so schnell wie möglich das Quartier wechseln. Nur wohin? Egal, darüber konnte er sich morgen noch den Kopf zerbrechen. Jetzt musste ihm ganz schnell was einfallen.
    «Gut, Laura. Ich fotografiere dich, wenn du gehst. Ich verspreche es dir. Morgen reden wir weiter ...»
    «Nein, wir reden jetzt. Wann machst du die Bilder?»
    «Ich muss mit den Winzern sprechen, ich habe jede Menge Verabredungen.»
    «Ich gebe dir einen Tag», sagte Laura von oben herab und stieg hoheitsvoll vom Bett. Dabei rutschte ihr Rock vollends hoch. «Habe ich nicht schöne Beine?» Triumphierend schlenkerte sie damit und warf den Kopf in den Nacken, eine weitere einstudierte Geste, die bei Frank Mitleid ausgelöst hätte, wenn Laura nicht so ein Aas gewesen wäre. Sie schlüpfte in ihre hochhackigen Pumps und stolzierte zur Tür. Bevor sie hinausging, drehte sie sich noch einmal um:
    «Was ich noch sagen wollte – da waren vorhin zwei Signori, die haben gefragt, ob bei uns ein Fotograf wohnt. Ich glaube, es waren Engländer oder Amerikaner. Sie wollten wiederkommen ...»

4
    Mittwoch, 29. September
    «Ich stelle die Bedingungen. Ich arbeite nur dann für ein neues Weingut, wenn wir in der Frage, wie ein Wein werden soll, harmonieren – der Winzer und ich, und natürlich der Weinberg. Wenn die Erde nicht das hergibt, was mir vorschwebt, dann lasse ich die Finger davon. Ihnen geht es vermutlich nicht anders – Sie akzeptieren einen Auftrag doch auch nur dann, wenn Sie überzeugt sind, dass Sie mit guten Fotos nach Hause kommen, oder?» Stefano Scudiere sah Frank an, legte dabei fragend die Stirn in Falten und blinzelte in die Morgensonne.
    «Wäre schön, wenn ich mir das erlauben könnte», erwiderte Frank. «In dieser Position war ich mal, und da würde ich gern auch wieder hinkommen. Zurzeit bin ich jedoch froh, wenn es überhaupt genug zu tun gibt. Andererseits wird jemand wie ich natürlich nicht mehr gefragt, ob er Passbilder oder Hochzeitsfotos machen will.»
    «Genau das meine ich. Sie haben Ihre Arbeitsweise, Ihre Eigenart, und die muss zu dem Buch passen, für das Sie die Aufnahmen machen. Das ist bei externen Beratern im Weinbau nicht anders. Den Stil, den bestimmen die Winzer. Wie diese Vorstellungen dann verwirklicht werden, das liegt in unserer, also in meiner Hand.»
    «Und was ist dabei das Schwierigste? Die Arbeit hier, im Weinberg, oder im Keller?»
    «Der Winzer!» Scudiere lachte. «Den findest du im Wein wieder, in einem gut gemachten, seine Philosophie, seine Auffassung, die Lebenseinstellung. Wenn sich darin keine Übereinstimmung ergibt, kann man auch seinen Wein nicht machen ...»
    Frank dirigierte den Consultore in die richtige Richtung, und Scudiere stützte sich mit der Hand jetzt auf einen stabilen Pfahl. «So, gut, jetzt kommt das Licht von der Seite, ja, noch ein wenig – halt! Behalten Sie den skeptischen Ausdruck bei, und bleiben Sie so.»
    Frank machte drei Aufnahmen, bei denen eine Hälfte von Scudieris Gesicht ein wenig heller war als die

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