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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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meinem Vater übernommen, seitdem war es mein Ziel, unter den Besten zu sein. Zum Hauptgang nehmen wir die Riserva von 1999 – ein Gedicht, gerade richtig zum Rindfleisch. 1999 war heiß und trocken, aber dank des Regens im August hatten die Trauben nicht so viel Wasserstress wie 1998 oder 2000. Die Trauben waren gleichmäßig reif, wir konnten früh lesen. Ausgebaut habe ich ihn im Barrique. Mögen Sie solche Weine?»
    Die Rückkehr des Kellners mit der Flasche enthob Frank der Antwort. Er wusste zwar, dass ein Barrique ein Eichenholzfass mit einem Inhalt von 225 Litern war, dass Wein darin einen besonderen Geschmack und Duft annahm, Nelke und Vanille. Wie das Eichenholz sich aber sonst auf den Wein auswirkte, war ihm schleierhaft.
    «Öffnen Sie auch die Riserva schon mal, die braucht Luft, um sich zu entfalten», sagte Paese zum Kellner, der den Chianti Classico entkorkte, diskret am Korken schnüffelte und dann Paese etwas ins Glas goss. Der Winzer steckte die Nase hinein, blickte versonnen und nickte. « Eccellente , ausgezeichnet, schöner Wein, den Sie da haben.»
    Der Kellner grinste, er kannte den Winzer, und füllte die Gläser mit dem hohen, tulpenförmigen Kelch.
    «Zuerst trinken wir einen Chianti Classico. Allora , in erster Linie Sangiovese-Trauben, es ist die wichtigste Rebsorte der Toskana. Nicht nur der Chianti wird daraus gekeltert, auch der Vino Nobile di Montepulciano und der Brunello di Montalcino. Aber dafür werden andere Klone verwendet, die haben sich in Jahrhunderten unterschiedlich entwickelt. Sangiovese Grosso, so heißt der Klon des Brunello. Oder wissen Sie das alles längst?»
    «Keineswegs», beruhigte ihn Frank. Man hatte ihn bislang sich selbst überlassen, und er hatte wie wild drauflos fotografiert. Der Text für den Weinführer war noch nicht komplett, daher hatte ihm die Redaktion lediglich die Adressen der Winzer mitgeteilt. Jetzt begriff er, dass sich seine Fotografie mit dem Hintergrundwissen um Wein ganz anders anlegen ließ. Er konnte Unterschiede deutlich machen, Details betonen, er würde sich mit den Rebsorten auseinander setzen und mit dem Boden, auf dem sie wuchsen.
    Der Kellner brachte die Crostini, geröstetes Ciabatta mit einer Art Paste bestrichen.
    «Eine unserer Spezialitäten», sagte Paese auf Franks skeptischen Blick hin. «Ein Aufstrich aus Herz, Magen und Leber vom Huhn, dazu odore , Rotwein, Kapern und Anchovis. Es sieht undefinierbar aus, schmeckt aber wundervoll.»
    «Was ist...»
    «Odore? Das nehmen wir für vieles, wahrscheinlich hat es das in der Toskana schon immer gegeben, es wuchs hier: Karotten, Sellerie und Zwiebel, die Basis vieler Soßen, so wie Sangiovese die Grundlage der toskanischen Rotweine ist.»
    Paese hatte nicht übertrieben, die Crostini schmeckten vorzüglich.
    « Allora , um das mit dem Wein zu beenden, 95 Prozent Sangiovese, wie gesagt, 5 Prozent Merlot, macht den Wein weicher, gefälliger, denn Sangiovese ist sehr säurestark. Cabernet Sauvignon für die Struktur, der kommt nur in meine Riserva. Sagt Ihnen nichts – Struktur?»
    Frank schüttelte den Kopf und schaute ein bisschen verlegen ins Weinglas.
    «Sie müssen trinken, um die Struktur zu erfahren, na los, nehmen Sie einen Schluck, lassen Sie ihn im Mund, schlucken Sie – und jetzt fühlen Sie mal mit der Zunge am Gaumen ... ja, bewegen Sie den Wein im Mund, gut. Und was fühlen Sie? Seide oder Nessel? Wolle oder ein feines Baumwollgewebe?»
    Frank wusste nicht recht, was er sagen sollte. Seide? Nein. Baumwolle? Er hatte doch kein T-Shirt im Mund, das verdammte Zeug war flüssig, und er musste hier den Idiotentest machen ...
    Der Winzer amüsierte sich. «Tut mir Leid, zuerst ist man damit meistens überfordert; man geht davon aus, was einem schmeckt. Lassen Sie es sich gesagt sein, wenn Ihre Arbeit beendet ist, sind Sie Experte, garantiert.» Paese hatte es laut gesagt, die Männer am Nebentisch, die auch über Wein sprachen, lachten, und man prostete sich zu.
    Als Frank aufblickte, sah er einen breitschultrigen, für einen Italiener sehr großen Mann mit einem kräftigen Schnurrbart sich durch die Tischreihen zwängen. Sein Aussehen erinnerte an einen mexikanischen Revolutionär. Dabei sah er müde aus, gehetzt, zwei steile Falten zwischen den Brauen und viele kleine um die dunkel umrandeten Augen. Er beugte sich über den Nebentisch und redete leise auf die Männer ein.
    Giacomo Paese zupfte ihn am Hemd, da er ihm den Rücken zuwandte. «Eh, Stefano, was

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