Bitterer Chianti
Farben fast erschlugen.
«Noch die Trauben hier, den Cabernet, dann ist es vorbei, dann gehen wir zurück», sagte Frank, froh darüber, das Thema Palermo umschifft zu haben. Scudiere übernahm bereitwillig die Rolle des Assistenten. Er befreite verdeckte Trauben von Blättern, schnitt einzelne Beeren heraus und bog die Triebe nach Franks Anweisungen zurecht. Knapp zwanzig Minuten später machten sie sich auf den Rückweg. Es war mehr ein Aufstieg, bei dem Frank an die Mühen dachte, mit denen die Erntearbeiter die Lese durchführen würden. Zwanzig Kilo Trauben auf dem Buckel waren erheblich schwerer als seine acht Kilo Fotoausrüstung, und als sie atemlos die Kellereigebäude erreichten, rann ihnen der Schweiß in Strömen übers Gesicht, Franks T-Shirt war klitschnass.
«Kein Strom ... wir haben keinen Strom!» Das waren die ersten Worte, die Giacomo Paese verzweifelt rief, als er aufgeregt aus dem Haus trat. «Keine Kühlung, keine Maschine läuft mehr. Wie sollen wir morgen ernten und entrappen? Dio me ne guardi! Wir müssen kühlen ...» Entnervt fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum, Schweiß lief ihm über die Stirn, hektisch kratzte er sich am Kopf, er bot ein Bild des Elends.
«Calmati, calmati», Scudiere hob beschwichtigend die Hände. «Erzähl erst mal in Ruhe, was los ist...»
«Ganz einfach, wir haben keinen Strom! Das ist alles, maledizione! » Der Winzer breitete die Arme aus. «Und dabei soll ich ruhig bleiben?»
«Hast du die Elektrizitätsgesellschaft...»
«Ma è chiaro! Klar, was glaubst du denn? Das war das Erste, was ich gemacht habe.»
«Und was sagen die?» Scudiere war mittlerweile zu einem Wasserhahn mit einem angeschlossenen Gartenschlauch gegangen, hatte sich das Hemd ausgezogen und drückte Frank das Schlauchende in die Hand. Dann drehte er den Wasserhahn auf. Außer dem Wasser, das im Schlauch gewesen war, kam nichts. Es reichte kaum zum Händewaschen. «Che scarogna! So ein Mist. Wieso ...?»
«Begreifst du es? Kein Strom! Ich sag es doch. Kein Strom, keine Pumpe, kein Wasser, wir liegen zu hoch, 450 Meter über dem Meer. Der Druck aus dem Netz reicht nicht bis hierher.»
Frank kam sich im Moment völlig überflüssig vor, und er war es auch. Hier bahnte sich eine Katastrophe an, die Ernte war in Gefahr! Das Beste wäre, er würde sich verdrücken und die Leute ihre Arbeit machen lassen. Castellina war nur zehn Kilometer entfernt, das Städtchen war von Paeses Terrasse aus fast zu sehen, und im Hotel gab es so viel Wasser, wie er sich wünschte.
«Die Leitung sei unterbrochen, sagen die von der Elektrizitätsgesellschaft. Sie müssen einen Suchtrupp losschicken, der die Leitung kontrolliert. Vom Transformatorenhäuschen bis zu uns läuft die Leitung drei Kilometer durch offenes Gelände, da könnte was defekt sein.»
«Und wie lange soll das dauern?» Scudiere zog sich das verschwitzte Oberhemd wieder an. «Du hast bestimmt noch kaltes Bier im Kühlschrank? Franco kommt auch um vor Durst. Nicht wahr, Franco?» Der Consultore, der ihn zum ersten Mal geduzt hatte, blinzelte ihm zu. Anscheinend war das Eis gebrochen, bei der Hitze kein Wunder.
«Das Einzige, woran ihr jetzt denkt, ist Bier. Ich habe wirklich andere Sorgen ...»
«Ob du dich aufregst oder nicht, Giacomo, das ändert gar nichts. Das Bier wird sonst ohnehin nur warm.»
Paese ging in die Küche des Hauses und nahm zwei Flaschen aus dem Kühlschrank, öffnete sie mit einem Schlüssel und knallte sie auf den Küchentisch in der Mitte des Raumes. Als er sich umdrehte, stieß er sich das Knie und verzog das Gesicht vor Schmerz. «Vorgestern, da war so ein Kerl hier, Gel im Haar, schwarzer Anzug, geschniegelt, einer vom Maklerbüro.» Paese schimpfte mehr, als dass er sprach, und rieb sich das Knie.
«Letztes Jahr war der schon mal da, kann aber auch ein anderer gewesen sein, die sehen ja alle gleich aus. Damals schon hat er mich gefragt, ob ich verkaufen will, heute wieder, das Land, Gebäude, Maschinen, einfach alles. Korrekter Preis, das muss ich ihm lassen, er traf den Wert ziemlich genau, schien gut über alles im Bilde hier. Aber ich verkaufe nicht! Wäre ja verrückt! Habe ich dem Mann klipp und klar gesagt. Er meinte, ich würde es mir bestimmt noch anders überlegen ... Er käme wieder ... Hätte ich nur ... ach, Unsinn.»
«Die Hitze», flüsterte Scudiere und beugte sich zu Frank. «Das haben sie immer im Sommer, wenn es zu heiß wird, besonders kurz vor der Lese. Die Nerven liegen blank
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