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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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der Prediger erzählen und von dem, was sich gestern Abend vor dem Hotel ereignet hatte?
    Den kleinen Scheißer an der Seite des Commissario hatte sich Laura offensichtlich als Freund ausgesucht und wahrscheinlich vor ihm angegeben, dass Frank sie groß rausbringen würde. Jetzt war der Typ wohl rasend eifersüchtig. Die Situation war verfahren, dieses Theater konnte seinen Auftrag gefährden ... Nur gut, dass er heute umziehen würde. Bei Benevole war er vor Laura sicher. Die Verkostung in Siena würde sich bestimmt bis in den Abend hinziehen, also musste er vorher seine Sachen packen.
    «He, Franco!» Scudiere stand plötzlich neben ihm. «Eingeschlafen?»
    Frank schrak auf. «Ja, so was Ähnliches, mi dispiace .» Verblüfft musterte er den Consultore, denn er sah aus wie aus dem Ei gepellt. Ein gelbes Polohemd von Lacoste, eine elegante helle Hose von Gucci, und die weichen Lederschuhe, mit denen er im Weinberg herumlief, kosteten mindestens 250 Euro. Dazu noch eine goldene Armbanduhr ... Schon gestern hatte er sich über sein elegantes Auftreten gewundert.
    Frank zögerte, aber dann gab er sich einen Ruck, Scudiere würde Fragen stellen, aber das musste er in Kauf nehmen: «Ich brauche einen Anwalt. Kennst du jemanden? Verlässlich muss er sein.»
    «Worum geht es? Kann ich nicht weiterhelfen?»
    «Höchstens mit einem Anwalt.»
    «Du hast Ärger?»
    Frank seufzte. «Nein.»
    Scudiere stutzte. «Wofür dann einen Anwalt, hier in Italien? Jede normale Rechtssache hätte doch Zeit, bis du wieder in ... wo wohntest du noch? In Hamburg? Allora , was hat keine Zeit bis dahin? Hast du einen Autounfall gehabt?»
    Besonders geschickt stellte Frank sich nicht an. Versteckspiel war nie seine Sache gewesen, und andere belästigte er selten mit seinen Angelegenheiten. Er war Einzelgänger, bei einer Reportage war er eine gewisse Zeit lang zur Zusammenarbeit mit dem Journalisten bereit, doch nach der Arbeit ging er lieber seine eigenen Wege. Mit Frauen war es ähnlich. Irgendwann waren ihm die meisten Beziehungen zu eng geworden, und wenn das mal nicht der Fall war, schob Christine sich dazwischen.
    Scudiere machte es Frank leicht: «Selbstverständlich kenne ich Anwälte. Aber sag mir, für welches Gebiet. Wie soll ich dir sonst den Richtigen empfehlen?»
    Frank musste schmunzeln, Scudiere war nicht dumm. «Ich brauche jemanden, der mir hilft, wenn die Polizei mir Ärger macht. Reicht das als Antwort?» Mehr durfte er nicht preisgeben. Er kannte Scudiere zu kurz, und Vertrauen wollte erworben sein, obwohl sich das Verhältnis zu anderen Menschen meistens in den ersten Sekunden ihres Zusammentreffens entschied. Scudiere lag zumindest auf seiner Wellenlänge.
    «Einen aus Florenz oder Siena?»
    Frank sah Malatesta den Hügel herabkommen. «Halte mich bitte raus aus eurem Jahrhundertgemetzel.»
    «Also Florenz», frotzelte Scudiere, «immer schön auf der Seite der Sieger bleiben! Hast du was zu schreiben?»
    Frank gab ihm Papier und Bleistift.
    Scudiere notierte Namen und Telefonnummer. «Ein guter Freund von mir, absolut verlässlich, ich rede mit ihm, mit dem Alten. Der Sohn, na ja, ein ragazzo sconsiderato .»
    Einen leichtsinnigen Jungen konnte Frank allerdings nicht gebrauchen, sein Fall war etwas für jemanden mit Fingerspitzengefühl. Inzwischen hatte der Winzer sie fast erreicht, als Frank sich erinnerte, was er Scudiere hatte fragen wollen: «War Malatesta politisch aktiv, so in den sechziger Jahren?»
    «Das merkt man, nicht wahr? Ja, er war das, was man in Italien einen Militanten nannte, bei Lotta Continua, radikal und links, obwohl jeder sich da was anderes drunter vorstellt. Soweit ich weiß, ist er abgesprungen, bevor alle zu Realos wurden. Er nennt sie Opportunisten, und das klingt nicht so gut wie Realo.»
    «Und du selbst?»
    «Ich pflege meine Radikalität im Weinberg. Genau wie Malatesta heute. Aus der politischen Überzeugung wurde die ökologische. Unsere Produktion hier ist zu hundert Prozent biodynamisch! Köpfchen statt Chemie.»
    Was es bedeutete, erklärte Malatesta, als er zu den beiden stieß. Er setze nur von außen wirkende Stoffe gegen Schädlinge ein, Kräuterauszüge und tonhaltige Minerale. Eine Begrünung der Rebzeilen zur Bodenbelüftung und Naturdünger waren für ihn Selbstverständlichkeiten, so bekam auch die Pferdehaltung ihren Sinn -
    «... über das Abreiten deines großartigen Besitzes hinaus», flachste Scudiere, was mit einem bösen Blick kommentiert wurde.
    Biodynamisch hieß

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