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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Alkohol zu bekommen.» Der Winzer blickte verdrießlich ins Tal und wartete ungeduldig auf die Rückkehr seines Beraters.
    «Nach außen hin scheinen hier alle ein Herz und eine Seele.
    Zu Ihnen sind bestimmt alle freundlich. Weshalb auch nicht? Wir wollen schöne Bilder von unseren Weinbergen, von uns und von den Kellereien, so verbessern wir unser Image, gewinnen neue Kunden, und Sie, Franco, sind jedermanns Freund.» Frank war da etwas anderer Ansicht, denn seit gestern gab es neben den beiden Predigern zwei weitere Personen, denen seine Anwesenheit so sehr missfiel, dass sie auf ihn einschlugen.
    «Wir untereinander – das ist was anderes. Nach außen scheint die Familie einig, aber im Innern sieht es anders aus. Was hat uns geprägt? In der Toscana wurde über Jahrhunderte gestritten, gemordet, intrigiert ... Wie viele edle Familien führen ihren Adel auf die condottiere zurück? Söldner waren das und Raubritter! Ständig wurden die Seiten gewechselt, Verträge gebrochen, und wer den Herrschern nicht passte, wurde umgebracht oder verbannt. Dante und Machiavelli durften sich Florenz von weitem ansehen, genau wie Palla Strozzi, einer der wenigen ehrenwerten Aristokraten der Medici-Ära. Mailand kämpfte gegen Venedig, Florenz immer gegen Siena, beide zusammen gegen Arezzo, oder Lucca fiel über Padua her oder Bologna über Pisa ...»
    «Das ist lange her», wandte Frank ein.
    Malatesta schob grimmig das Kinn vor. «Die aus Arezzo können nicht mal einen anständigen Furz lassen, heißt es heute noch. Und wenn Sie mit Sienesen mitfahren, und Ihnen kommt einer aus Florenz in die Quere, dann wird sofort gegen die Florentiner gewettert. Seit wann ist Italien vereint? Wissen Sie das?»
    «Die Einigung wurde um 1860 oder 1870 vollzogen ...»
    «Stimmt, zur Zeit der deutschen Vereinigung. Bis dahin regierten hier Päpste, Deutsche, Bourbonen, Österreicher und Spanier. Italien ist so wenig eine Nation wie Deutschland, es ist zerrissen, gespalten.»
    «Seit damals ist vieles zusammengewachsen.»
    Malatesta winkte ab, einen verächtlichen Zug um den Mund. «Jede Region verfolgt ausschließlich ihre eigenen Interessen. Wer von Italien sprich, meint sich selbst. Das ist in Deutschland nicht anders. Sehen Sie sich unsere rechten Parteien an: Forza Italia, Allianz Nazionale, die Faschisten, die Lega Nord. Sie würden sich am liebsten vom Süden trennen, weil er sich angeblich nicht entwickelt. Und wer verhindert das? Die Politiker! Sie schieben Hilfsgelder nach Süden, in die Taschen ihrer Freunde. Jede Bewerbung um ein öffentliches Amt hat einen Griff in die Staatskasse zum Ziel! Und wenn die leer ist, wird eine andere Partei gewählt.»
    Frank hatte den Eindruck, dass Malatesta ein ziemlich dickes Paket aus der Vergangenheit mit sich herumschleppte, lange schon. Aber er musste von der Politik zurück zum Wein, das war sein Thema; die Sonne stieg, es waren noch viele Aufnahmen zu machen.
    Frank dirigierte Malatesta in den Schatten eines alten Ölbaums, der die Mauer eines Schuppens gesprengt hatte. «Aber im Weinbau wurde in den letzten zwanzig Jahren doch vieles modernisiert, wie man mir ...»
    Der Winzer hob abwehrend beide Hände. «Es gibt verschiedene Typen von Weinbauern, von Winzern, oder nennen Sie sie meinetwegen Weinmacher, ganz wie Sie wollen. Da sind die Winzer, die machen die Mode, da gibt es diejenigen, die ihr folgen – immer zwei, drei Jahre hinterher, und dann sind da noch diejenigen, die gar nicht wissen, wie sie ihren Wein haben wollen und was sie tun sollen, damit er so wird wie ... na ja, wie? Sie wissen es eben nicht.»
    «Zu welcher Gruppe zählen Sie sich?» Frank überlegte, ob die Frage verletzend war, aber Malatesta war kein Modemensch – mit seinem verwaschenen Hemd, der Jeansjacke, einer fleckigen Hose und weichen Lederstiefeln. Teuer war nur die Cartier an seinem Handgelenk.
    «Ich halte mich für einen Kreativen, den da unten übrigens auch», er zeigte auf Scudiere, dessen Kopf zwischen den Rebzeilen dann und wann auftauchte. «Caminare la terra nennt er es, die Erde ablaufen, jeden Quadratmeter meiner zwanzig Hektar kennt er ... seit Jahren. Kreative, das sind Leute, die ihren Wein so machen, wie sie wollen, die eine Vorstellung haben, der sie folgen. Und manchmal trifft man den so genannten Trend. Das ist dann der Durchbruch oder der ganz große Erfolg. Wahrscheinlich drängen sie mich deshalb dazu, Tre Querce zu verkaufen. Unsere Arbeit und der Trend haben sich gerade

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