Bitterer Chianti
... Was schauen Sie mich an? Sie sagten, dass Sie nichts von Wein verstünden.»
Frank hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Er betrachtete Signora Vanzetti, dann wieder die Häuser und die Kellerei, der sie sich bis auf wenige Meter genähert hatten. «Wie alt ist das alles?»
«Teils im Jahr 1492 gebaut, das war, als Kolumbus Amerika entdeckte, einiges danach. Die späteren Besitzer haben es umgebaut und ihren Wünschen angepasst. Der Familie meines Mannes gehört es seit 1872.»
Frank gefiel die Art, wie die Gebäude in die Landschaft integriert waren. Die Tenuta Vanzetti hatte etwas ganz Privates, etwas sehr Persönliches, was er auf den anderen Gütern in dieser Ausprägung nicht wahrgenommen hatte. Es war ein Ort, den sie oder er so eingerichtet hatte, dass sie sich darin wohl fühlen konnten. Mit Hibiskusbüschen, Oleander neben dem Sonnenschirm und Rosenbeeten. Wo aber war der Haken? Im Verhältnis von Signora Vanzetti zu ihrem Mann?
Nach fünf Minuten stand sie in der Küche an der Espressomaschine und schäumte Milch auf. Frank musterte wortlos die Einrichtung der Küche mit dem sechsflammigen Herd, einem rußigen Kamin, der noch benutzt wurde, alten, vom Rauch gebeizten Küchenschränken, Ziertellern auf einem Sims, offenen Balken unter der Decke – die Küche ähnelte der von Malatesta –, und kaum erinnerte sich Frank an ihn, hatte er den Brandgeruch in der Nase.
«Sie sind gestern plötzlich aus dem Saal gestürzt», sagte Signora Vanzetti und deckte den Tisch: Konfitüre, Butter, frisches Brot, Schinken, Salami und Pecorino, Tomaten und Schalotten. «Haben Sie den Brand bei Malatesta fotografiert?»
Frank war erstaunt, dass sie es bemerkt hatte. «Ja, ich bin ihm nachgefahren, habe ein bisschen geholfen.»
«Hat es Verletzte gegeben?»
«Nein. Der Kellermeister und die Arbeiter waren im Weinberg. Einer der Arbeiter ging nach oben, um sich ein Pflaster zu holen, weil er sich mit der Traubenschere geschnitten hatte. Der hat den Brand bemerkt, glücklicherweise. Zuerst hat er versucht, die Pferde freizulassen, aber der Stall stand bereits in Flammen ...»
«Da hat der Brand wahrscheinlich angefangen.»
«Das weiß ich nicht. Wer hat das erzählt?»
«Das Chianti Classico ist ein großes Dorf, Signor Gatow. Was ist mit Malatestas Pferden?»
«Nur eins wurde gerettet, leider mit vielen Brandwunden, aber immerhin. Da war noch eine Stute, die hatte in der Nacht zuvor ein Fohlen bekommen ... die hat nicht...»
«Madonna! Wie schrecklich für ihn. Waren Sie die ganze Nacht da?»
«Bis um zwei Uhr. Dann musste ich noch nach Hause fahren. Ich wohne bei Renato Benevole auf dem Gut in einem kleinen Apartment, seit gestern.»
Aber daran dachte Frank nicht, er hatte vielmehr das brennende Gebäude wieder vor Augen, die Remise, die im Funkenregen zusammenbrach. Malatesta, der mit dem Feuer kämpfte, Scudiere ... Nie zuvor hatte er etwas Ähnliches gesehen. Er betrachtete die Brandwunde auf seinem Handgelenk.
«Es wäre besser, wenn Sie die Wunde verbinden würden, ziemlich groß, sie könnte sich entzünden. Ich habe da was, rein pflanzlich», beruhigte die Signora, rief nach der Haushälterin und schickte sie nach einer Salbe und einem Verbandspäckchen.
Während sie frühstückten und auf die Haushälterin warteten, die sich sehr viel Zeit ließ, berichtete Frank, dass der Gebäudeteil mit den Gärtanks, der Traubenmühle und der Weinpresse vollständig niedergebrannt war.
«Es gibt also weder Kisten für die Lese noch Tanks zum Vergären», bemerkte Antonia Vanzetti nachdenklich.
«Die Tanks hätten Sie sehen sollen, schief und krumm, ausgeglüht. Am schlimmsten aber war das mit den Pferden, das hat Malatesta böse zugesetzt. Er will verkaufen.»
«Was?», rief Signora Vanzetti und sprang auf. Sie stieß gegen den Tisch, sodass der Kaffee überschwappte. «Das darf er nicht, dazu macht er viel zu guten Wein. Seine Familie ist seit Generationen hier – man verkauft seine Geschichte nicht. Ich könnte ihm Trauben abnehmen, damit nichts verkommt, Wanda auch, die hat auch noch Kapazitäten frei. Wir können alte Tanks wieder in Betrieb nehmen. Marco ist verrückt. Haben Sie seine Telefonnummer hier?»
Frank schrieb sie auf eine Papierserviette.
«Ich rufe ihn sofort an», sagte Signora Vanzetti und rannte aus der Küche. Die Haushälterin kam und legte missmutig Salbe und Verbandszeug auf den Küchentisch.
Nach zehn Minuten kam die Signora zurück. «Alles kein Problem», sagte sie, setzte sich
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