Bitterer Chianti
gestern wieder aufnehmen.
«Das alles hier», Frank umriss das Weingut mit der Bewegung seiner Hand und räusperte sich verlegen, «das ... managen Sie ... allein?»
«Würden Sie mich das auch fragen, wenn ich ein Mann wäre?»
Das hatte gesessen! Nein, bitte nicht diese feministische Nummer. Aber – hatte sie nicht Recht? Und er sagte ihr die Wahrheit. «Bei Männern bin ich das gewohnt, bei Frauen ist es für mich neu. Sie sind die erste Winzerin, mit der ich zu tun habe. Alle anderen Kellereien werden von Männern geleitet.» Und um ein wenig Luft zu bekommen, fügte er hinzu: «Ich möchte gern einige Bilder machen.»
«Deshalb sind Sie ja wohl gekommen. Von mir brauchen Sie wahrscheinlich keine mehr ...»
«Aber im Weinberg habe ich Sie noch nicht fotografiert», konterte Frank. «Vielleicht sollten wir dazu auf Ihre Loggia gehen. Da oben, auf der Brüstung, ein Glas in der Hand, Weinberge im Hintergrund ... übrigens ein wunderschöner Besitz, den Sie da haben.»
«Das Land und das Haus gehören meinem Mann, er ist der Eigentümer. Der Wein gehört mir.»
Das klang nach klarer Abgrenzung, nach Ehedrama, Kindern, die litten, Scheidungsprozess – eine bittere Erinnerung. Und bei diesen Leuten kam noch der Krieg um den Besitz dazu. Bei ihm war nichts zu holen gewesen – Trinkgeld im Vergleich zu den Vanzettis. Wie dick lag die Asche hier über der Glut? Frank nahm sich vor, keinen Staub aufzuwirbeln, obwohl diese Frau bereits jetzt einen Sandsturm in seinem Innern ausgelöst hatte.
«Schauen Sie sich in Ruhe um – nein, warten Sie, ich mache mich frisch, und dann begleite ich Sie. Ist Ihnen das recht? Haben Sie schon gefrühstückt?»
Frank blieb keine Zeit für eine Antwort.
«Also nein, ich auch nicht. Wir heben uns das aber für später auf.» Signora Vanzetti rief einer der Pflückerinnen etwas zu, stellte ihre Lesekiste in den Schatten und ging wortlos bergauf in Richtung Haus. Frank folgte ihr.
So befangen wie heute hatte er sich ewig nicht mehr gefühlt. Alles, was er hätte sagen können, schien ihm banal, einfältig und zu weit hergeholt. Was war das für ein Chaos in seinem Kopf? So idiotisch hatte er sich lange nicht mehr benommen.
Frank blickte auf. Das breite Haus mit der Loggia im ersten Stock beherrschte den Hügel. Es wirkte von hier aus großzügiger als von der Rückseite, wo er den Wagen geparkt hatte. Die Weinstöcke liefen in Linien geradewegs auf die Mauer der Terrasse zu. Rechts waren ein Turm und zwei kleinere Anbauten, einer ragte nach vorn, der andere war nach hinten versetzt. Das Gebäude links war halb in den Hügel gebaut, die Eisentore standen weit offen.
«Die Kellerei. Der größte Teil ist unterirdisch, oben ist die Zufahrt, da werden die Trauben angeliefert, entrappt, teils gemahlen und in die Gärtanks gefüllt. Wir vergären den Wein nur in Edelstahltanks, bei kontrollierter Temperatur.»
«Wofür ist das erforderlich?»
«Wir lassen den Rotwein während der Gärung lange auf den Trauben, dabei löst sich mehr Farbe aus den Beerenhäuten und Gerbsäure. Würden wir rote Trauben pressen und nur den Most vergären, bekämen wir Weißwein. Wird die Temperatur zu hoch, sterben die Hefen ab, die Gärung stoppt, und der Zucker wandelt sich nicht mehr in Alkohol um. Bei zu viel Zucker in den Beeren entsteht zu viel Alkohol, und der wiederum tötet die Hefen, und die Gärung endet zu früh. Capisce? Haben Sie das verstanden?»
Frank nickte, war sich aber nicht ganz sicher. «Und dann kommt der Wein in die Holzfässer, in die Barriques, zum Altern, nicht wahr?»
«Nicht gleich, aber das erkläre ich später.»
Frank kratzte sich hilflos am Kopf.
«Die besten Trauben nehme ich für meinen Erstwein. Das war früher die Chianti Classico Riserva. Die erkennen Sie an der Banderole mit dem Schwarzen Hahn im goldenen Kreis. Die Bezeichnung Riserva sagt nichts über die Qualität, lediglich darüber, dass der Wein zwei Jahre lang im Eichenfass gelagert hat. Den Zweitwein, von Trauben jüngerer Weinstöcke, lasse ich sechs bis acht Monate in gebrauchten Barriques und in 500-Liter-Fässern, bevor sie abgefüllt werden.»
«Ist Ihr Mann auch Winzer?», unterbrach Frank.
«Nein, mein Vater», antwortete Antonia Vanzetti verunsichert, fuhr dann aber doch fort. «Der einfache Wein, der Chianti Classico mit dem Schwarzen Hahn im roten Kreis, reift nochmal einige Monate in der Flasche. Wir dürfen den letzten Jahrgang nie vor dem 1. Oktober des Folgejahres in den Handel bringen
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