Bitterer Chianti
und legte Frank den Salbenverband an. «Malatestas Trauben sind untergebracht. Wanda Livonardi, sie war gestern mit mir in Siena, die nimmt einen Teil, jeder reißt sich um Malatestas Trauben, zumal Scudiere daran mitgearbeitet hat. Per quanto , allerdings, es wird nicht ohne Verlust abgehen, die anderen wollen die Trauben kaufen. Ich brauche keine, ich habe zu viel. Barriques und andere Fässer hat er selbst. Der Keller ist auch beschädigt?»
«Soweit ich weiß, nein. Aber der Schaden, den das Löschwasser angerichtet hat... sagen Sie, sind Sie auch gefragt worden, ob Sie verkaufen wollen?»
«Wie kommen Sie darauf?»
«Weil – weil einige Leute hier in der Gegend anscheinend Offerten bekommen haben.»
Die Winzerin dachte einen Moment lang nach, bevor sie antwortete: «Ein guter Wein kann ein lukratives Geschäft sein, so ab siebzig- bis achtzigtausend Flaschen rechnet es sich, wenn die Qualität stimmt. Weingüter gibt es hier nicht mehr zu kaufen. Unten an der Küste, in der Maremma, sicuramente, aber hier nicht.» Die Signora schüttelte den Kopf, ihr Pferdeschwanz ging dabei hin und her. Frank fand, dass sie auch in ihrer Arbeitskluft mit dem zu großen Herrenhemd wunderbar aussah. Der Widerspruch zwischen der Dame und der Arbeiterin löste sich auf.
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei uns jemand freiwillig verkauft ...»
Wenn Frank später daran zurückdachte, dann war es der Begriff «freiwillig», den Antonia Vanzetti benutzt hatte, der ihn stutzig gemacht hatte.
Nach dem Frühstück zeigte Antonia Vanzetti Frank die Kellerei, wo sie ihm auch die technischen Abläufe erklärte, von der Anlieferung der Trauben übers Entrappen bis zum Pressen des Tresters, der Beerenhäute und Kerne, die nach der Gärung übrig blieben. Frank erfuhr, dass der neue Gärkeller ganz bewusst in drei Etagen angelegt worden war.
«Der Wein fließt von einer Verarbeitungsstufe zur nächsten, nach der Gärung in die Tanks, wo die malolaktische Gärung stattfindet, der biologische Säureabbau, und von dort aus in die Eichenfässer. Die Schwerkraft macht alles von allein. Wir vermeiden das Umpumpen, denn es stresst den Wein.» Sie winkte ab. «Ich weiß, was Sie sagen wollen. Nuancen, gut, aber heute kommt es auf jede Kleinigkeit an, wenn man an der Spitze mitmischen will!»
Und das wollte die Signora anscheinend. Dabei wirkte sie weder ehrgeizig noch verbissen, und mit Engelsgeduld beantwortete sie Franks Fragen. «Haben Sie Kinder?», fragte er unvermittelt, und ihm fiel im selben Moment ein, dass er vergessen hatte, Christine anzurufen.
Signora Vanzetti blieb verdutzt stehen. «Warum?»
«Weil Sie ... so engagiert vom Wein sprechen ... und so geduldig meine Fragen beantworten.»
Sie lachte kurz, ihre Augen trafen die von Frank – und gleich darauf senkte sie den Kopf und drehte ihm den Rücken zu. «Noch einen Milchkaffee?»
Frank bejahte, «con piacere », und überlegte, die Frage besser auf sich beruhen zu lassen, aber die Winzerin antwortete ihm:
«Meine Kinder sind im Internat. Der Vater wollte es so, vielleicht die beste Lösung, um Prozessen aus dem Weg zu gehen. Felicitas macht das nicht so viel aus, sie liebt ihren Vater über alles. Aber Piero fehlt mir, er würde lieber hier wohnen, er liebt die Toskana. Nur ist da das Problem mit der Schule. Wir müssten in Florenz oder Siena leben, aber für eine Stadtwohnung habe ich nicht genügend Geld.»
«Aber gehört Ihnen das hier nicht alles?»
Signora Vanzetti machte ein gequältes Gesicht. «Mein Mann verweigert die Scheidung. Ich bin ein armes Kind vom Land, er stammt aus bester Familie, eine blendende Partie ... nur, dann hat man nichts zu melden. Ich war jung, verstehen Sie? Hier ist es ein wenig wie Verbannung und gleichzeitig mein Garten Eden. Können Sie sich das vorstellen?»
«Ich wollte nicht indiskret sein», Frank hob entschuldigend die Hände.
«Die Geschichte kennt jeder, nur spricht niemand darüber. Bei uns bleibt alles unter der Decke. Statt zu kämpfen, stellen sie der Madonna eine Kerze hin. Drei Ave-Maria – oder sie werfen einen Euro ein, und die elektrischen Kerzen leuchten für zehn Minuten. Elektrische Kerzen stellt man noch nicht mal beim Essen auf. Sind Sie verheiratet?»
«Geschieden, eine Tochter.»
«Die lebt bei der Mutter, wie ich vermute, bei Ihrem Beruf? Wie alt?»
Frank meinte, einen versteckten Vorwurf herauszuhören, wie immer, wenn das Gespräch darauf kam. Jeder war der Ansicht, er würde sich zu wenig um
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