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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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eine, wenn du aufgibst», sagte Frank. Es war ihm so rausgerutscht.

7
    Freitag, 1. Oktober
    Die Haushälterin gab Frank nur widerwillig Auskunft: «Die Signora muss da unten irgendwo im Weinberg sein.»
    «Grazie, signora!» Frank nickte der alten, schwarz gekleideten Frau freundlich zu, aber es war verlorene Liebesmüh. Sie konnte ihn nicht ausstehen, Frank hatte es schon beim Hereinkommen gespürt, eine Sache der Chemie, und er hatte sogar das Gefühl, dass sie ihn verachtete. Das kommt dabei raus, wenn die Magd sich zu sehr mit der Herrschaft identifiziert, dachte Frank und wandte sich ab.
    Wie befohlen durchschritt er den halbdunklen Flur, warf einen Blick nach rechts in ein sehr geschmackvoll eingerichtetes Kaminzimmer und den Salon nebenan. Von vorn fielen Sonnenstrahlen durch die mehrfach unterteilte Terrassentür und zeichneten Schattenbilder rechts auf die Wand und auf die glänzenden Steinplatten am Boden. Frank bemühte sich, nicht auf die Linien zu treten. Wenn es ihm gelang, dann ... Aufgeregt dachte er an die Begegnung im Ospedale Santa Maria von Siena. Gleich würde er die Frau Wiedersehen.
    Draußen schlug ihm die gleißende Helle der flach stehenden Sonne entgegen, er kniff die Augen zusammen und ging ein paar Schritte weiter bis zur Balustrade der Loggia oberhalb eines beinahe zugewachsenen Weges. Unter ihm lagen die Parzellen des Weinbergs wie Tortenstücke, deren Spitzen in eine weite Mulde zeigten, wo eine Quelle zwischen Bäumen entsprang. Wege, auf denen gerade mal ein kleiner Trecker durchkam, trennten die Stücke voneinander. Die Anlage war nach Süden ausgerichtet, die Rebzeilen waren so gezogen, dass sie die größtmögliche Sonneneinstrahlung erhielten. Die Steine zwischen den Rebzeilen wurden liegen gelassen, um Wärme zu speichern und sie nachts abzugeben, was ideal für die gleichmäßige Reife des Weins sein sollte, wie Frank mittlerweile gelernt hatte. Mit jedem Tag im Weinberg kam ein bisschen dazu.
    Da unten irgendwo sollte Signora Vanzetti sein, aber er sah nur Hüte, die an die Kopfbedeckungen vietnamesischer Reisbauern erinnerten. Ihm war heute nicht wohl; er hatte kaum geschlafen und noch immer den Brandgeruch von Malatestas Kellerei in der Nase, die Brandblase am Handgelenk schmerzte sehr, die Knochen taten von der Schufterei weh. Dabei stand ihm das Treffen mit Signora Vanzetti bevor. Er kannte ihr Gesicht, hatte ihr Lachen von gestern noch im Ohr, und er erinnerte sich daran, was Scudiere ihm über sie gesagt hatte. Die Tenuta Vanzetti hatte einen guten Namen, und ihre Weine wurden in einem Atemzug mit denen des Barons Ricasoli vom Castello di Brolio genannt, also mischte sie in der Spitzenklasse mit. Lag es daran, dass Brolio gleich hinter der nächsten Hügelkette lag und der Boden von ähnlicher Beschaffenheit war?
    Die Signora machte den Wein – und nicht der Ehemann! Das hatte sie gleich klargestellt. Eine Frau in der Sammlung seiner Winzer – eine interessante Abwechslung. Wieso hatte sie ihn ohne Umschweife gefragt, ob er was von Wein verstünde? Gingen alle Winzer davon aus, dass er keine blasse Ahnung hatte?
    Frank näherte sich den Pflückerinnen am Fuß des Hanges. Eine Frau am Ende der Rebzeilen hatte als Einzige Gummihandschuhe an. Sie trug keinen Kittel wie die anderen, sondern Jeans und ein langärmeliges Hemd. Krauses schwarzes Haar schaute unter dem Strohhut hervor. Die Frau arbeitete schnell und sicher. Als sie den Verschluss der Kamera klicken hörte, wandte sie sich Frank zu, ihr Gesicht blieb dabei im Schatten.
    «Buon giorno, signora!»
    Die Frau schob den Hut zurück und lächelte. «Haben Sie nicht schon genug Bilder von mir? Sie kommen spät.»
    Frank brauchte einen Moment, bis er Antonia Vanzetti erkannte, so gänzlich anders als gestern sah sie aus. Verlegen suchte er nach Worten. In ihm machte sich eine Mischung aus Unsicherheit und Glücksgefühl breit, etwas von Euphorie und Abgrund: Man muss es tun, auch wenn man für einen hellsichtigen Augenblick lang die Gewissheit hat, dass man leiden würde ... Er ging auf sie zu und gab ihr die Hand. «Buon giorno, signora, come va?»
    Er hätte im Boden versinken mögen, denn auf einmal war ihm sein gestriges Verhalten peinlich, zu aufdringlich. Sicher, die Kamera hatte für eine gewisse Distanz gesorgt, aber das Lächeln, die Berührung im Blick, das war sehr direkt gewesen. Hatte sie denn nicht mitgespielt, insgeheim für ihn posiert? Jetzt spürte er nichts davon. Aber er wollte den Faden von

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