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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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der auf das gefräßige Feuer gerichtet wurde. Anscheinend wollte man verhindern, dass das Feuer auf die linken Gebäudeteile Übergriff. Der rechte Teil war sowieso nicht mehr zu retten. Ob die Weine in den Kellern wohl sicher waren?
    Frank stieg in den Wagen und fuhr nach oben. Zwei Filme fotografierte er auf die Schnelle, dann zog er Sakko und Leinenhose aus und stieg in die Arbeitsmontur, die er für Aufnahmen in Fabriken oder Bergwerken, oder wo es sonst besonders schmutzig war, im Wagen liegen hatte, und machte sich daran zu helfen. Nachbarn trafen ein, andere Winzer, die auf der Veranstaltung in Siena von dem Unglück gehört hatten, Landarbeiter und Erntehelfer. Gemeinsam wurde alles, was dem Feuer irgendwie Nahrung hätte geben können, in sichere Entfernung geschleppt. Dabei achteten alle darauf, die bis nahe an das Anwesen wachsenden Rebstöcke so wenig wie möglich zu beschädigen. Um den Brand zu löschen, gab es viel zu wenig Wasser, man konnte das Feuer nur ausbrennen lassen, aber das Wasser reichte glücklicherweise aus, um Wohnhaus, Bürogebäude und Werkstatt zu retten. Am sichersten waren die im Keller lagernden Weine.
    Drahtseile wurden um Balken gelegt und diese von Treckern oder mit purer Muskelkraft aus dem Feuer gezogen. Eine Wand wurde zum Einsturz gebracht, um einen Zugang zu schaffen, zwei Feuerwehrleuten mit Atemgeräten gelang es im letzten Moment, ein Fass Altöl aus der Gefahrenzone zu rollen. Immer mehr Menschen kamen, man konnte den Eindruck gewinnen, dass Hunderte von Füßen die Flammen austreten wollten. Mit einem Mal erinnerte Frank das Feuer an ein wütendes, glühendes Tier, das gleichzeitig von einer wimmelnden Schar von Ameisen angegriffen wurde.
    Am wütendsten von allen kämpfte Marco Malatesta – grimmig und voller Hass ging er gegen die Flammen an, ließ sich von ihrer Tücke nicht beirren, von ihrem Auflodern nicht einschüchtern; er packte die Brechstange, setzte die Motorsäge an und schlug mit dem Beil zu ... außer sich vor Wut war Stefano Scudiere an seiner Seite, der teure Anzug in Fetzen. Mit gefletschten Zähnen gingen sie dort vor, wohin sich niemand traute. Sie gingen zurück, wenn die Funken flogen, und Signora Malatesta warf ihnen nasse Handtücher zu, die sie über die Köpfe legten. Scudiere winkte Frank zu sich: Sie brauchten einen dritten Mann!
    Trinkwasser wurde verteilt, Nachbarn brachten Obst und Essen, aber noch war der Kampf nicht entschieden, noch konnte das Feuer wieder aufflammen, obwohl es nicht danach aussah. Aber Feuer war ein unberechenbares Ungeheuer. Frank bemerkte, wie ein anderer Fotograf seiner Arbeit nachging, doch es kümmerte ihn nicht. Er war hier nicht als Berichterstatter. Was hatte er neulich gedacht, gestern oder vorgestern? Er sei Zuschauer? Ihn ginge das alles nichts an? So kann man sich irren, dachte er und sah kurz auf die Brandblase, die sich zwischen Handschuh und dem Ärmel des Overalls auf dem Arm gebildet hatte.
    Später, als die Flammen keine Nahrung mehr fanden und ihre Kraft verloren hatten, saßen der Winzer, seine Frau und die beiden Kinder nebeneinander auf der Treppe ihres geretteten Hauses. Malatesta weinte.
    «Die Anspannung», sagte Frank mit rauchiger Stimme und spuckte in die Asche. «Hinterher fällt sie von einem ab.»
    «Nein», sagte Scudiere heiser, dessen einst makelloser Anzug nicht mehr als ein Bündel Lumpen war. «Die Pferde. Drei sind tot, das Fohlen auch. Einen Tag hat es gerade mal auf der Welt geschafft. Und die Mutterstute war Marcos Lieblingstier. Zwölf Jahre hat er sie gehabt, ist fast jeden Tag damit geritten. Das trifft ihn ins Mark. Für die anderen Verluste gibt‘s eine Versicherung.»
    Frank sah ihn skeptisch an.
    «Na ja, ich glaube es jedenfalls. Aber was mit der Ernte wird – die Trauben sind reif, wir haben ja nicht einmal mehr Bottiche, geschweige denn kühlbare Gärtanks, um die Trauben aufzunehmen. Die Ernte ist verloren.»
    Der Blick des Consultore schweifte über die verkohlten Balken, eingestürzten Mauern und verbogenen Tanks. Leise, sodass Malatesta ihn nicht hören konnte, fuhr er fort: «Früher, mit den Tanks aus Zement, wäre so etwas wie heute nicht passiert. Die waren in den Berg gebaut, was hätte da brennen sollen? Der Kunstharzanstrich innen? Dazu hätte erst einmal der Wein verdampfen müssen. Wird eine Weile dauern, bis alles wieder aufgebaut ist...»
    «Dazu wird’s nicht kommen», meinte Malatesta barsch. «Hier stinkt‘s nach Niederlage.»
    «Es wird erst

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