Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
Ich habe den Auftrag, das Weingut zu fotografieren. Signor di Chiarli ist informiert...»
    «Das wüsste ich, wenn wir Aufträge an Fotografen vergeben hätten. Machen Sie, dass Sie fortkommen, Mister!»
    Anscheinend hatte sein Gegenüber keinen Schimmer von südeuropäischen Umgangsformen. Die Situation drohte zu eskalieren, denn Frank merkte, wie Wut in ihm hochstieg. Damit beschäftigt, seinen Zorn im Zaum zu halten, hatte er gar nicht wahrgenommen, dass ein weiterer Mann sich zu ihnen gesellt hatte.
    « Scusi , Signore, der Herr kennt sich noch nicht so gut aus. Er ist unser neuer Önologe und Manager, Mr. McEvern – aus Kalifornien, glaube ich ...»
    Obwohl sich der Mann noch nicht selbst vorgestellt hatte, erkannte Frank in ihm sofort den Kellermeister.
    «Und wo ist...?»
    «Ich bringe Sie zu ihm. Kommen Sie.»
    Bevor der Manager etwas einwenden konnte, was Frank mit Sicherheit zu einer unflätigen Bemerkung veranlasst hätte (bei seinem Jahr in den USA hatte er einige verdammt hässliche Schimpfwörter aufgeschnappt), zerrte ihn der Kellermeister über den Hof zum Büro.
    Josti di Chiarli, ein kleiner, gemütlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, saß gequält zwischen zwei Männern in dunkelgrauen Anzügen, die lediglich ihre Krawatten ein wenig gelockert hatten. Sie wirkten wie Wirtschaftsprüfer, die das Unternehmen und di Chiarli unter die Lupe nahmen.
    Das Gespräch begann äußerst zäh. Es dauerte eine Zeit, bis Frank aus di Chiarli herausgeholt hatte, dass der Betrieb vor drei Wochen verkauft worden war und er daher an Aufnahmen nicht mehr interessiert war.
    «Diese Entscheidung müssen Sie aber erst kürzlich getroffen haben. Als unser Redakteur Sie interviewt hat, war keine Rede davon.»
    Di Chiarli seufzte. «Sie haben ganz Recht. Davon war keine Rede. Aber ich ... wurde, äh ... sah mich gezwungen zu verkaufen. Freiwillig hätte ich, also ... wir haben Fehler gemacht», sagte er und blickte beim Sprechen immer wieder zu den Controllern hin. «Und wir hatten Pech. Die Weine vom vorletzten Jahr haben sich nicht gut verkauft. Wir hatten Probleme mit dem Zoll. Na ja, irgendwann ist alles mal vorbei. Es tut mir Leid, dass Sie extra gekommen sind. Ich hätte Sie verständigen müssen. Ich hoffe, Sie hatten nicht zu viele Unannehmlichkeiten. Vielleicht können wir Sie mit unserer Riserva von 1994 ein wenig entschädigen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen?»
    Frank spürte, wie unangenehm und peinlich es dem Winzer war, sich auf diese Weise herauszureden, und er beließ es bei einem freundlichen Lächeln.
    Der Kellermeister brachte drei Flaschen dieses außergewöhnlichen Jahrgangs in einer Holzkiste und begleitete Frank zum Wagen. Der ließ vor dem Einsteigen den Blick über die Gebäude, die Kellerei und den Maschinenpark schweifen. «Weshalb hat er verkauft? Ist Missmanagement wirklich der Grund? Bleiben Sie hier, oder sind Sie auch gekündigt?»
    «Ich gehe freiwillig, der neue Manager ... Wir sind Menschen und keine Maschinen. Ich finde überall Arbeit, wir hatten einen guten Ruf, einen sehr guten.»
    «Ja, und?»
    «Und was?»
    «Weshalb das alles? Freiwillig hätte er nicht ... hat Signor di Chiarli gesagt. Hat er – unter Zwang verkauft?»
    Der Kellermeister sah sich um, aber außer ihnen war niemand auf dem Parkplatz. «Es begann vor über einem Jahr. Unsere Lieferung in die Vereinigten Staaten wurde von der Gesundheitsbehörde bemängelt. Angeblich war der Wein nicht in Ordnung. Er wurde Monate zurückgehalten. Die Lagerkosten mussten wir bezahlen, auch den Rücktransport, sonst wäre alles vernichtet worden. Es ist immerhin ein Drittel unserer Produktion, das in die USA geht. Als Nächstes hat uns eine Betriebsprüfung lahmgelegt. Und dann hat jemand unsere Raupenschlepper sabotiert und den Lkw. Vor kurzem wurden uns dann die Kredite gekündigt ... damit war schließlich alles aus. Wir seien nicht mehr – wie nennt man das – solvent? Verstehen Sie das?»
    «Sehr gut, auch wenn ich nur Fotograf bin.»
    «So war das nicht gemeint», sagte der Kellermeister zerknirscht.
    «Wem haben Sie das alles verkauft?»
    «Einer Immobilienfirma in San Gimignano, Terranuova», sagte er leise und blickte sich um, ob ihn jemand hören konnte. «Das bleibt aber unter uns, va bene?.»
    Frank nickte ihm beruhigend zu: «In ogni caso.» Er war gespannt, ob der Kellermeister seine Vermutung bestätigte.
    Er tat es. «Ich glaube, da hat uns jemand in den Verkauf getrieben. Sie sind Reporter, halten Sie die Augen

Weitere Kostenlose Bücher