Bitterer Chianti
behindert meine Arbeit, und Leute, die ich mittlerweile schätze, so wie Signor Malatesta, verlieren ihren Besitz ...»
«Sie scheinen der Einzige zu sein, der alles weiß, bei dem alles zusammenläuft. Ich wusste lediglich von dem Brand und von den abgesägten Strommasten. Mit meinem Wein, das konnte ich mir bis eben nicht erklären. Das Erste, was mir aufgefallen war, war der bittere Duft des Chianti. Wir haben den Rest einem Labor zur Analyse gegeben, aber noch kein Ergebnis. Jetzt sehe ich natürlich alles in einem ganz anderen Licht.»
Amarone sprach von aktuellen Kreditverhandlungen mit seiner Bank und davon, dass ein missratener Jahrgang so schwer wog wie ein geplatzter Wechsel. Auch ihm habe man ein Angebot gemacht. «Ich fürchte, dass ich Zusagen muss. Mir bleibt keine andere Wahl.»
«Aber Ihre anderen Weine müssen doch gut sein.»
«Das spielt keine Rolle. Wenn die Zeitungen veröffentlichen, dass meine Weine bei der Prüfung durchgefallen sind, dann zählt nur das.»
«Von welcher Firma kam das Angebot?»
Amarone kratzte sich am Hals, dann lockerte er umständlich die Krawatte.
Frank hatte das Gefühl, dass der Mann ihm misstraute. «War es Vinterra Immobile – aus Colle Val d’Elsa?»
Die Reaktion von Giorgio Amarone zeigte ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
«Es gibt gewisse geschäftliche Dinge, über die spricht man nicht. Sie kommen hier unangemeldet zu mir, ich kenne Sie nicht, weiß nichts von Ihnen, und dann soll ich Ihnen Geschäftsgeheimnisse erzählen?» Obgleich er lachte, spürte Frank sehr wohl seine Beklommenheit. «Mein Nachbar hat bereits verkauft. Aber an eine andere Firma, nicht an die, die mir das Angebot gemacht hat.»
«An wen? Sie wissen es, rein zufällig?»
«Da müssen Sie den Winzer schon selbst fragen.»
«An Terranuova? Aus San Gimignano?»
«Woher wissen Sie das?», fragte Amarone, und seine Augen wurden schmal. «Wie weit stecken Sie da mit drin?»
«Ziemlich tief», sagte Frank, «eigentlich bis zum Hals.»
Bei Sonnenuntergang war er in Rondine angekommen und hatte den Wagen an der Brücke stehen lassen müssen, wo Renata Benevole und seine Helfer noch immer fieberhaft an der Behelfsbrücke zimmerten.
Ein Arbeiter hatte Frank mitsamt seiner Ausrüstung auf der Ladefläche eines Hängers zu seinem Apartment gebracht. Obwohl Frank hundemüde war, hatte er keine Zeit, sich auszuruhen. Jetzt duschte er lediglich, stopfte sich etwas Brot und Käse in den Mund, schüttete ein Glas Wein hinterher und machte sich auf den Weg nach Florenz. Das Treffen mit Bartolomeo Pandolfini hielt er für überaus wichtig.
Er lief zur Schlucht, kletterte im Dunkeln über die schwankende Notbrücke, nur mit Stadtplan, Notizbuch und den neuesten Filmen in den Händen, und war schon wieder schweißgebadet, als er sich in den Wagen setzte. Er war spät, kurz nach neun, in einer knappen Stunde sollte er in Florenz sein, und er musste noch durch die ganze Stadt und auf der anderen Seite des Arno die Kanzlei finden. Zumindest bis Florenz kannte er die Strecke gut, also fuhr er wie der Teufel bis nach Siena-Nord, wo die Superstrada Siena-Firenze begann.
Da würde er viel schneller durchkommen als auf der Landstraße, und er konnte weiterhin richtig Gas geben. Einen Moment lang wunderte er sich, dass ihm trotz der hohen Geschwindigkeit ein Wagen folgte. Hoffentlich keine Zivilstreife. Doch bei Nacht auf dieser Strecke? Hier war zu wenig los, um gute Beute zu machen, und Beamte wollten schließlich auch irgendwann Feierabend machen.
Frank fuhr etwa 130 anstatt der vorgeschriebenen 90 Stundenkilometer und sah kurz darauf wieder in den Rückspiegel. Die Scheinwerfer des nachfolgenden Wagens blieben ständig hinter ihm. Er überholte einige Wagen, wurde langsamer und stellte fest, dass der ihm folgende Wagen den Abstand konstant hielt.
Die Scheinwerfer huschten über den Wegweiser zur Ausfahrt Poggibonsi, und Frank wusste, dass er jetzt langsamer fahren musste, denn an mehreren Stellen war die rechte Fahrspur wegen Bauarbeiten gesperrt. Die Baustellen waren katastrophal beleuchtet, und wenn er zu schnell war, konnte es passieren, dass er hineinraste.
Der ihm folgende Wagen kam näher, langsam schloss er auf, kam noch näher – verdammt, der würde doch nicht auffahren? – und nahm fast den gesamten Rückspiegel ein, die Scheinwerfer blendeten nicht nur im Rückspiegel, sondern leuchteten das Innere des Volvo taghell aus. Frank konnte dadurch draußen immer weniger erkennen.
Weitere Kostenlose Bücher